Entscheidung des Monats Februar 2025

„Baustelle: „Baurecht“ – Ran ans Handwerkszeug!“

Worum geht es? Öffentliches Baurecht | Baunachbarrecht | Verwaltungsakt mit Drittwirkung, § 80a VwGO | Bauplanungsrecht, §§ 30 ff. BauGB, §§ 6, 15 BauNVO | Nachbarschutz | Rechtsgeschichte (die „gute Policey“, Kreuzbergurteil, R. v. Mohl) | Schnittstellen Baurecht & Kommunalrecht.

Hinweis vom HLB-Team:

In diesem Monat wollen wir mit unserer Entscheidung des Monats das Fundament Eures Erfolgs in der Baurecht-Examensklausur legen. Während die Anzahl der Baugenehmigungen im Vergleich zu jenen Zahlen während der Niedrigzinsphase bis Anfang 2022 infolge hoher Materialkosten und teuren Finanzierungsoptionen und folglich gestiegenen Baupreisen real sinkt, können Examenskandidatinnen und -kandidaten in NRW längst nicht mehr darauf bauen, im Examen vor dem nicht selten auf Lücke gelernten Teilgebiet des Besonderen Verwaltungsrechts und insbesondere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Baugenehmigung nach § 74 BauO NRW verschont zu bleiben. Sand in die offene Grube streut dann jener Klausursteller, der sich für die Baurechtsklausur des verwaltungsprozessualen Kleides eines der Eilanträge (n. b.: Plural!) nach § 80a Abs. 1-3 VwGO bedient. Die gute Nachricht lautet jedoch an alle Leserinnen & Leser unserer EdM: „Wer anderen eine Klausuren-Grube gräbt, der muss auch mal zweistellig Punkte verteilen“. Bei Kenntnis der Systematik, fallt ihr schnell positiv auf. Und nur wenige Teilbereiche des öffentlichen Rechts sind systematischer gestrickt als das Baurecht. Wer diese wiederkehrenden (!) Strukturen einmal durchsteigt, der wird auch mit fremden Fallkonstellationen umgehen können. Hier setzen wir an und liefern euch auf den folgenden Seiten schon einmal all das Werkzeug, welches eine saubere und strukturierte Lösung eines bauplanungsrechtlichen Sachverhalts bedarf.

Eine aktuelle Entscheidung des OVG Niedersachsen (Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938) dient dabei als Besprechungsgrundlage. Der Fall zeugt dabei in jeder Hinsicht von extremer Examensrelevanz. Ein Ziegeleibetrieb wandte sich im Eilrechtsschutz gegen die von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung zugunsten der beigeladenen Begünstigten – eine Bilderbuch-Nachbarschutz-Situation, § 80a VwGO lässt grüßen. Während die Begünstigte also das auf dem Vorhabengrundstück belegene Einfamilienhaus dem Erdboden gleichmachte, um an selbiger Stelle ein Acht-Parteien-Wohnhaus zu errichten, befürchtet die Antragsstellerin Schutzansprüche der künftigen Eigentümer gegen ihren Gewerbebetrieb. Am Boden zerstört soll jedoch einzig das Einfamilienhaus sein: In der Dogmatischen Vertiefung widmen wir uns voll und ganz dem Bauplanungsrecht. Erbauliche Erkenntnisse, wünscht Euer Team HLB!

 

Die Hintergründe der Entscheidung

Hintergrund der Entscheidung ist ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80a Abs. 3 S. 2, Abs. 1 Nr. 2 VwGO – wir befinden uns folglich im Bereich des baurechtlichen Nachbarschutzes. Die Antragsgegnerin „B“, namentlich die gem. § 57 Abs. 1 BauO NRW[1] zuständige Bauaufsichtsbehörde[2], hatte der gem. § 65 VwGO (notwendig) beigeladenen Bauherrin „H“ eine Baugenehmigung (§ 74 BauO NRW) für ein (genehmigungspflichtiges) Mehrfamilienhaus mit acht Wohneinheiten erteilt. Das Vorhabengrundstück – belegen in der kreisangehörigen, 13.000 Einwohner umfassende Gemeinde W im Kreis S – liegt dabei in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebiet (lies: § 1 Abs. 3[3], § 6 BauNVO), wobei dieses aus lediglich fünf Grundstücken besteht, die allesamt mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Nach Erteilung dieser Baugenehmigung riss H ein Einfamilienwohnhaus, das bislang auf dem Vorhabengrundstück stand, ab. Westlich vom Mischgebiet befindet sich ein allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO), das durch eine Grünfläche vom Mischgebiet abgetrennt ist. Die Antragstellerin „Z“ betreibt eine Ziegelei, die sich östlich vom Mischgebiet befindet und nur durch eine Straße vom Gebiet separiert wird. Z befürchtet Schutzansprüche[4], die zukünftig gegen ihren Gewerbebetrieb geltend gemacht werden könnten.

Z erhob Widerspruch i.S.d. §§ 68 ff., 80 Abs. 1 S. 2, 1 VwGO gegen die Baugenehmigung, über den noch nicht entschieden wurde. An dieser Stelle folgende Erinnerung:

#Wichtig: Entfall der aufschiebenden Wirkung, §§ 212a Abs. 1 BauGB

Gem. §§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die BG keine aufschiebende Wirkung; vorläufiger Rechtsschutz nach § 80a VwGO.

 

Z stellte beim VG einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO, den das VG jedoch ablehnte. Hiergegen wandte sich Z im Beschwerdeverfahren vor dem OVG erfolgreich. Dieses ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu Gunsten der Z an.

Nehmt Euch kurz drei Minuten Zeit, die folgende Skizze nachzuvollziehen: Wer sind die Beteiligten? Und – insoweit analog zum Zivilrecht – wer will was von wem woraus?

Nach Lektüre der Skizze drängt sich die Frage auf, wovor sich Z eigentlich im Detail fürchtet? Dazu ein kurzer Exkurs.

EXKURS: Privates Baurecht, Private Schutzansprüche

Vor welchen Ansprüchen könnte sich Z vorliegend fürchten? Achtung! Es geht hierbei gerade nicht um die sog. nachbarschützenden / drittschützenden Normen des öffentlichen Rechts. Eine Anspruchsgrundlage desjenigen Nachbarn, welcher durch Immissionen beeinträchtigt wird, gegen den Emittenten („Herausschickender“) dieser Störfaktoren folgt vielmehr aus zivilrechtlichen Unterlassungs-, bzw. Beseitigungsansprüchen. Solche privatrechtlichen Abwehransprüche reichen übrigens für eine öffentlich-rechtliche Nachbarklage nicht aus, da die Baugenehmigung des Bauherrn gem. § 74 Abs. 4 BauO NRW unbeschadet ggf. entgegenstehender privater Rechte Dritter ergeht.

Kurz angedacht werden sollte im Kontext privatrechtlicher Abwehransprüche stets ein (i. E. abzulehnender) Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis. Gegen einen solchen spricht indes der Mangel eines entsprechenden Rechtsbindungswillen der Nachbarn – §§ 903, 905 ff. BGB haben schließlich primär eine einschränkende und ausgleichende Bedeutung und bilden gerade keine selbstständige Grundlage für Rechte und Pflichten wie es jedoch für ein gesetzliches Schuldverhältnis kennzeichnend ist. Ansprüche aus §§ 823 ff., 249 BGB (u.U. i.V.m. NachbG NRW) kommen – vorausgesetzt eines konkreten Schadens und Verschuldens – in Betracht.

Bekanntester Vertreter seiner Art ist der auf Störungsbeseitigung gerichtete, verschuldensunabhängige (!) (quasi)-negatorische Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB (analog). Es gilt hier in der Rechtsfolge zum (weiterreichenden) § 823 BGB abzugrenzen (Stichwort: Usurpationstheorie)! Vor dem Hintergrund einer erteilten Baugenehmigung ist zu beachten, dass, während Planfeststellungsbeschlüsse (§§ 73 ff. VwVfG) – im Gegensatz zum B-Plan (= Satzung) ihrerseits Verwaltungsakte – Ansprüche gegen das Vorhaben selbst, auch solche aus § 1004 BGB, hindern (= Duldungspflicht), nicht jedoch weitergehende Rechte wie Betretens- oder Nutzungsrechte begründen können, haben baurechtliche Genehmigungen hingegen (ebenso wie die damit verbundenen Auflagen) keinen Einfluss auf die Ansprüche aus § 1004 BGB (MüKoBGB/Raff, 9. Aufl. 2023, BGB § 1004 Rn. 211).

Zuletzt kann ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) in Betracht kommen. Dieser fristet im Studienalltag wohl ein Schattendasein, obgleich er als „Generalnorm des zivilrechtlichen Nachbarschutzes“ gilt. Er stellt eine unmittelbare Begrenzung des Schutzbereiches der §§ 903, 905 BGB dar, wonach dem Eigentümer einer Sache grds. sogar Ausschlussrechte gem. § 1004 BGB bzgl. des Raums um sein Eigentum herum zustünden (also jegliche Immissionen, einschließlich spielender Kinder im Garten, Geräusche von einfahrenden Autos oder Rasenmähern).

Negative Emissionen (Abhalten von natürlichen Zuführungen wie Licht und Luft) sind im Unterschied zu Fein- und Grobemissionen nicht von §§ 1004, 906 BGB umfasst.

 

Die Entscheidung

Das OVG Niedersachsen[5] entschied zugunsten der Antragstellerin Z. Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem OVG stand die Frage nach dem Drittschutz (Nachbarschutz).[6] Die Z war angesichts des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (lies: § 80 Abs. 1 S. 2, S. 1 VwGO) gem. §§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB auf den vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80a Abs. 3 S. 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO angewiesen.

Der Antrag der Z auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80a Abs. 3 S. 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und soweit er begründet ist.

I. Zulässigkeit (verkürzt)

Der Antrag ist zulässig, wenn alle erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

1.  Der Verwaltungsrechtsweg richtet sich nach dem für die Hauptsache maßgeblichen Rechtsweg. Hauptsache ist hier das Widerspruchsverfahren der Z gegen die B hinsichtlich der zugunsten der H erteilten Baugenehmigung. Streitentscheidende Normen sind vorliegend jene Vorschriften der BauO NRW (§§ 57 ff., 74 Abs. 1) bzw. des BauGB (§§ 29 ff.), mithin solche des öffentlichen Rechts. Somit ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.

2. Statthaft ist diejenige Antragsart der VwGO, die dem Rechtsschutzziel der Z entspricht: Dieses ist dem Antragsbegehren der Antragsstellerin im Lichte des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts sowie dem Hauptsacheverfahren zu entnehmen, vgl. §§ 122 Abs. 1[7], 88 VwGO. Hier hat die Z in der Hauptsache einen Widerspruch gegen die Baugenehmigung zugunsten der H eingelegt; mangels aufschiebender Wirkung desselben (§§ 80 Abs. 2 Nr. 3, 212a Abs. 1 BauGB) begehrt Z einstweiligen Rechtsschutz. Solchen gewährt die VwGO in den Verfahren nach § 123 VwGO sowie jenen nach §§ 80, 80a VwGO. Letztere sind nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangig. Sie sind einschlägig, wenn die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt begehrt wird. Hier geht es der Z gerade um den Suspensiveffekt ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung zugunsten der H. Die streitige Baugenehmigung, welche zwar den Rechtskreis der H erweitert, jedoch die Z eben hierdurch belastet, stellt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW mit Doppelwirkung dar. Dieser ist auch wirksam und noch anfechtbar.

Statthaft ist demnach ein sog. Drittaussetzungsantrag gem. § 80a Abs. 3 S. 2 [es handelt ein Gericht], Abs. 1 Nr. 2 [spricht nur von „Behörde“] i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO.

3. Z muss ferner auch antragsbefugt sein, § 42 Abs. 2 VwGO analog.

#Hinweis Klagebefugnis – kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch

Achtung: Der Adressatengedanke wäre hier fehl am Platz, da die Baugenehmigung nicht an Z gerichtet ist, sondern an H. Sodann gilt Folgendes zu beachten: Bei der Abwägung der Interessen ist das Anliegen des Dritten nicht per se vorrangig gegenüber dem des Genehmigungsempfängers. Eine einseitige Bevorzugung des Dritten würde vielmehr die Freiheitsrechte und den Gleichheitssatz des Genehmigungsempfängers missachten und zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Dritten führen. Auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet nicht ein alleiniges Abstellen auf eine etwaig objektive Rechtswidrigkeit. Vielmehr muss zusätzlich eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Antragstellers vorliegen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet dem Einzelnen Rechtsschutz nur für die Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt (Exekutive); eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung ist nicht garantiert. Auch aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG folgt kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch, dessen Einhaltung der Einzelne auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 GG von den Gerichten kontrollieren lassen könnte. Er kann die Verletzung von (baurechtlichen) Normen nicht rügen, die nicht seinem Schutz dienen. Daher wird auch vertreten, dass die formelle Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung im Drittschutz gar keine Relevanz hätte (wir empfehlen trotzdem eine vollständige Prüfung!).

 

Die Antragsbefugnis der Z setzt voraus, dass sie durch die erteilte Baugenehmigung möglicherweise in einem eigenen subjektiven Recht verletzt wurde; ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch besteht nicht.[8] Insofern darf jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass eine auch die Z (dritt-)schützende Norm verletzt sein kann (Möglichkeitstheorie).

#Definition Schutznormtheorie / Drittschützende Normen

Nach der Schutznormtheorie ist eine Norm drittschützend, wenn sie nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz individueller Interessen konkreter Dritter dient.

Derlei drittschützende/nachbarschützenden Normen liegen also dann vor, wenn diese jedenfalls auch dem Ausgleich kollidierender Interessen zwischen Nachbarschaft und Bauherrschaft dienen sollen, insofern also Ausdruck des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots sind.

 

Die Z macht hier insbesondere geltend, das genehmigte Vorhaben würde gegen die für das Baugrundstück geltende, zu ihren Gunsten drittschützende Festsetzung eines Mischgebiets im Bebauungsplan Nr. 141 verstoßen.[9]

a. In der Tat erkennt die Rspr. in der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich drittschützenden Charakter. Subjektive Rechte des Nachbarn können etwa aus einer bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft der Grundstückseigentümer eines Plangebiets abzuleiten sein, vorliegend also ein Anspruch der Z auf Einhaltung der Mischgebietsfestsetzung (= Gebietserhaltungsanspruch im klassischen Sinne). Jedoch ist die Z bezogen auf das in Rede stehende Mischgebiet Planaußenliegerin (vgl. Skizze) und damit nicht inhärenter Teil der mischgebietlichen Schicksalsgemeinschaft; ein Gebietserhaltungsanspruch der Z scheidet somit grundsätzlich aus.[10]

b. Ein drittschützendes Recht der Z könnte jedoch ungeachtet ihrer Eigenschaft als Planaußenliegerin nach st. Rspr. aus der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als „Mischgebiet“ abzuleiten sein, wenn im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die planende Gemeinde mit dieser Festsetzung gerade auch Interessen der benachbarten Z habe schützen wollen. Z weist hier ausdrücklich auf die Planbegründung hin, welche gerade „den Bestand der Ziegelei“ schütze. Ein solches Recht ist unter diesem Aspekt zumindest nicht von Vornherein ausgeschlossen und eine Verletzung insoweit möglich (hierin liegt die primäre „Erkenntnis“ der OVG-Entscheidung).

c. Z führt ebenso an, dass das geplante Vorhaben in einem Mischgebiet nicht mehr zulässig sei, weil es dazu führen würde, dass das Gebiet faktisch zu einem Wohngebiet würde.[11]

Z ist demnach (aus mehreren Gesichtspunkten) antragsbefugt.

[Anm.: Auf die Punkte „Antragsgegner“, „§§ 61, 62 VwGO“, „zuständiges Gericht“ & „Rechtsschutzbedürfnis“ wird aus didaktischen Gründen verzichtet.]

Der Antrag der Z ist zulässig

 

II. Begründetheit

Der Drittaussetzungsantrag der Z nach § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist begründet, soweit das Suspensivinteresse der Z das öffentliche Interesse und das Interesse der H an der sofortigen Vollziehung der erteilten Baugenehmigung überwiegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, aller Voraussicht nach Erfolg haben wird.[12] Hierfür kommt es wegen § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO darauf an, ob die Baugenehmigung rechtswidrig ist und Z in ihren Rechten verletzt.

1. Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung ist § 74 Abs. 1 BauO NRW.

2. Die Baugenehmigung müsste formell rechtmäßig sein.

Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. b, S. 2 BauO NRW ist der Kreis S (handelnd durch die B) für die Erteilung der Baugenehmigung sachlich und örtlich zuständig, da die Gemeinde W wegen ihrer Einwohnerzahl von 13.000 i.S.v. § 4 GO NRW keine „große“ oder „mittlere“, sondern eine („übrige“ i.S.v. § 57 Abs. 1 Nr. 3 lit. b BauO NRW) kreisangehörige Stadt ist.

3. Die Baugenehmigung müsste auch materiell rechtmäßig sein.

Die Baugenehmigung wurde H rechtmäßig erteilt, soweit dem Bau des 8-Parteien-Wohnhauses keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen waren, namentlich nicht gegen Bauplanungsrecht (bb.) oder Bauordnungsrecht (dd.) verstößt.

Hinweis: Baurecht, BauGB & BauO (Land)

Das öffentliche Baurecht – in Abgrenzung zum privaten Baurecht der §§ 631 ff., 903 ff., 1004 BGB u. w. – unterscheidet im Grunde zwei Regelungsbereiche: Das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht.

Das Bauplanungsrecht ist das Recht der städtebaulichen Ordnung und obliegt der (konkurrierenden) Gesetzgebungskompetenz des Bundes (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG). Es enthält Regelungen über die Bauleitplanung und die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben.

Das Bauordnungsrecht ist Verfahrens- & Gefahrenabwehrrecht. Es enthält u. a. Regelungen über Abstandsflächen und zu sicherheitsrechtlichen Anforderungen an Bauvorhaben (Standsicherheit, Brandschutz, Rettungswege). Ferner enthält es Regelungen über das Genehmigungsverfahren.

 

a. Genehmigungspflichtigkeit

Gem. § 60 Abs. 1 BauO NRW bedarf die Errichtung einer baulichen Anlage der Baugenehmigung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bei dem geplanten Mehrfamilienwohnhaus der H handelt es sich um eine solche bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1, 2 BauO NRW. Eine Genehmigungsfreistellung (etwa gem. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BauO NRW) kam vorliegend nicht in Betracht.

b. Genehmigungsfähigkeit

aa. Prüfungsmaßstab

Nach § 74 Abs. 1 BauO NRW ist eine (beantragte) Baugenehmigung zu erteilen, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorgaben entgegenstehen. Für das Bauvorhaben der H ist gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 BauO NRW im einfachen Baugenehmigungsverfahren nur ein beschränktes Prüfungsprogramm vorgeschrieben. U.a. beschränkte sich die Prüfung des Kreises S auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens (vgl. § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauO NRW) sowie einige bauordnungsrechtliche Vorgaben (vgl. § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauO NRW). Hierauf ist auch die gerichtliche Kontrolle beschränkt.

bb. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

Das Bauvorhaben der H könnte bauplanungsrechtlich unzulässig sein. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben richtet sich nach den §§ 29 ff. BauGB.

Hinweis: Baurecht, Die drei Bereiche des Bauplanungsrechts

Außenbereich, § 35 BauGB: Negativabgrenzung, d.h., alles, was nicht Innenbereich ist.

Beplanter Innenbereich, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 2 BauGB: Qualifizierter / einfacher B-Plan? (s.u.)

Unbeplanter Innenbereich – Planersatz, § 34 BauGB: „Im Zusammenhang bebauter Ortsteil“

 

(1) Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB

Die §§ 30 ff. BauGB sind nur anwendbar, wenn es sich bei dem Wohnhaus um ein Vorhaben i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB handelt, dass die Errichtung einer baulichen Anlage zum Inhalt hat.

#Definition Bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB

Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB ist jede auf Dauer angelegte künstlich hergestellte, mit dem Erdboden verbundene Anlage mit möglicher bodenrechtlicher Relevanz[13].

Letztere ist dann anzunehmen, wenn die Anlage städtebauliche Belange i.S.d. § 1 Abs. 5, Abs. 6, § 1a BauGB in einer Weise berührt[14], die das Bedürfnis nach einer regelnden Bauleitplanung aufwirft. Danach sind nur völlig unbedeutende Bauwerke vom Anwendungsbereich der §§ 29 ff. auszusondern.

 

Das 8-Parteien-Wohnhaus der H ist bei verallgemeinernder Betrachtungsweise[15] eine solche bauliche Anlage mit bodenrechtlicher Relevanz.

(2) Beplanter Innenbereich, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. Festsetzungen des B-Plans

Hinweis: Bauleitplanung, B-Plan & F-Plan, §§ 1 Abs. 2 ff. BauGB

Spätestens in der mündlichen Prüfung können Kenntnisse über den Ablauf der Städteplanung und die Gestaltung der städtebaulichen Ordnung (vgl. § 1 Abs. 3 BauGB) von Vorteil sein. Hier ein Überblick:

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Bauleitplanung Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 GG ist, sog. Planungshoheit der Gemeinde.

Der Flächennutzungsplan (kurz: F-Plan) bezeichnet dabei den umfassenden, auf die Bodennutzung im Gemeindegebiet bezogenen gemeindlichen Entwicklungsplan. Er regelt die Grundzüge der beabsichtigten Art der Bodennutzung. Aus ihm heraus ist ein B-Plan inhaltlich zu entwickeln (= Entwicklungsgebot).

Der Bebauungsplan (kurz: B-Plan) hat verschiedene Funktionen: Rechtsverbindliche, parzellenscharfe Festsetzungen (vgl. § 9 Abs. 1-4 BauGB), Ordnungs- und Lenkungsfunktion des Städtebaus. Es wird unterschieden zwischen dem qualifizierten (§ 30 Abs. 1 BauGB) und einfachen (§ 30 Abs. 3 BauGB) B-Plan. Der qualifizierte B-Plan (Klausurklassiker) enthält Festsetzungen über:

–     die Art der baulichen Nutzung (§ 1 Abs. 2, §§ 2-14 BauNVO, z.B. „Mischgebiet“),

–     das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16-21 BauNVO, z.B. Zahl der Vollgeschosse „GFZ 2“),

–     die überbaubaren Grundstücksflächen („GRZ“), § 19 BauNVO (§ 23 BauNVO, z.B. Baulinien) und

–     die örtlichen Verkehrsflächen (z.B. Straßen).

–     Bloß von „nachrichtlicher“ (und damit nicht rechtsverbindlicher) Qualität sind Festsetzungen nach § 9 Abs. 6 & 6a BauGB (lesen!).

Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens ist im Anwendungsbereich eines qualifizierten B-Plans gegeben, wenn es den Festsetzungen desselben nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (= Anschluss an (Ab)Wasser und Strom). Wie gelangt ihr nun in die BauNVO? Im Anwendungsbereich des B-Plan gilt: Dessen Festsetzung als „X-Gebiet“ lässt die Vorschrift des § X BauNVO gem. § 1 Abs. 2 Nr. X, Abs. 3 S. 1 und 2 BauNVO zum Bestandteil des Plans werden (sog. Scharniernorm); folglich darf das Vorhaben den Planfestsetzungen, d.h. § X BauNVO, nicht widersprechen.

Widerspricht das Vorhaben den Festsetzungen, so ist eure Prüfung noch nicht (!) beendet: Eine Ausnahme gem. § 31 Abs. 1 BauGB (lies: § 34 Abs. 2 Hs. 2 BauGB) oder Befreiung (= planimmanente Ausnahmen) gem. § 31 Abs. 2, 3 BauGB (= planexterne Ausnahmen / Dispens) könnte einschlägig sein.

–     Ist eine Regelbebauung geplant (§§ 2-9 BauNVO) hat der ASt einen gebundenen Anspruch auf Erteilung einer BG (Art. 14 GG) – die Abs. 1 der §§ 2-9 BauNVO; regeln dabei die Zweckbestimmung des typisierten Baugebiets und die Abs. 2 die sog. Regelbebauung;

–     Sieht der B-Plan eine Ausnahmebebauung (vgl. Abs. 3 der §§ 2-9 BauNVO) vor, kann die Behörde gem. § 31 Abs. 1 BauGB solche Ausnahmen zulassen (Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Baugenehmigung).

Fehlt in dem B-Plan (mind.) eine der Festsetzungen aus § 30 Abs. 1 BauGB (= einfacher B-Plan), so richtet sich die Zulässigkeit im Übrigen nach den Planersatznormen §§ 34, 35 BauGB. Zurück zum Fall.

 

(a) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens könnte sich vorliegend, da ein Mischgebiet von der Gemeinde festgesetzt worden war, nach § 30 Abs. 1 BauGB, §§ 1 Abs. 3 S. 2, 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO richten.

(α) Dann dürfte der Inhalt des B-Plans insoweit nicht funktionslos geworden sein.

#Definition Funktionslosigkeit eines B-Plans

Funktionslos wird ein Bebauungsplan, wenn und soweit sich die Verhältnisse, auf die sich eine planerische Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erlangt haben, der eine Verwirklichung der Festsetzungen auf absehbare Zeit ausschließt (vgl. Abs. 1 BauNVO) und wenn der Mangel so offenkundig ist, dass ein Vertrauen der Öffentlichkeit in dessen Fortgeltung nicht mehr schutzwürdig ist.

 

Die Z trägt hier jedoch gerade eine solche Funktionslosigkeit der Mischgebietsfestsetzung vor. Diese könnte sich bereits vor Erteilung der Baugenehmigung daraus ergeben haben, dass die faktische Bebauung einem reinen Wohngebiet entspricht (= faktisches Wohngebiet). Das OVG setzt sich an dieser Stelle mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG auseinander (deren Kenntnis von euch nicht erwartet werden kann), die für eine Funktionslosigkeit spricht, erachtet im vorliegenden Fall jedoch eine atypische Besonderheit für einschlägig:[16] Eine Funktionslosigkeit setze voraus, „dass die Abweichung der Bebauungs- und Nutzungssituation von der Mischgebietsfestsetzung einen Zustand erreicht hätten, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschlösse, und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hätte, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nähme […]. Das mag zwar beim vollständigen Verschwinden einer der Hauptnutzungen aus einem Misch-, Dorf- oder Kerngebiet durchaus denkbar und ab einer gewissen Größe sogar die Regel sein […]. Umfasst das Gebiet jedoch, wie hier, nur fünf Grundstücke, so können schon Nutzungsänderungen auf einem oder zweien dieser Grundstücke den planerisch gewollten Zustand herstellen.“[17] Diese Wiederherstellung des Zwecks eines Mischgebiets – namentlich das Einfügen einer Pufferzone zwischen ein allgemeines Wohngebiet und etwa einem Industriegebiet – kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde gerade mit der vorliegenden Baugenehmigung (durch Ablehnung) wiederherstellen.

(β) Eine Funktionslosigkeit der Mischgebietfestsetzung ist nicht gegeben.

(b) Maßgeblich für die planungsrechtliche Beurteilung sind somit §§ 15 Abs. 1 S. 1, 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, wonach Wohngebäude im Mischgebiet allgemein zulässig sind, soweit sich im Einzelfall aus dem nachbarrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme nichts anderes ergibt. Der Senat erkennt:

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO „sind die in den §§ 2–14 BauNVO aufgeführten Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Im Falle eines Mischgebiets ist das nach st. Rspr. des BVerwG […] der Fall, wenn eine der jeweils gebietsprägenden Nutzungen – Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störendes Gewerbe – derart überwiegt, dass von einer quantitativ und qualitativ gleichwertigen Durchmischung des Gebiets nicht mehr gesprochen werden kann. Es mag sein, dass in Fällen, in denen ein nur aus wenigen Baugrundstücken bestehendes, bereits bei seiner Entstehung überwiegend dem Wohnen dienendes Mischgebiet im Wesentlichen als „Puffer“ zwischen Wohn- und Gewerbeflächen festgesetzt ist, mit Blick auf die konkrete Eigenart des Baugebiets Abstriche bei der Gleichgewichtigkeit der Nutzungen denkbar sind […]. Steht in einem Mischgebiet indes, wie hier, überhaupt kein Raum mehr für eine gewerbliche Nutzung zur Verfügung, so dürfte der Gebietscharakter auch in einem solchen Fall verletzt sein“.[18][19]

(c) Ferner könnte sich eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit daraus ergeben, dass das Mischgebiet vorliegend gerade mit Blick auf die der Gemeinde bekannten emissionsreichen Antragsstellerin als „Pufferzone“ zu nahegelegener Wohnbebauung festgesetzt wurde.

„Zu Recht weist die [Z] in diesem Zusammenhang auf S. 11 der Planbegründung hin, wo zwar nicht explizit die Festsetzung eines Mischgebiets, wohl aber der Verzicht, das westlich des Mischgebiets gelegene Allgemeine Wohngebiet bis an die Grenze des Mischgebiets heranzuführen, und dessen Trennung von diesem durch eine Grünfläche begründet wird. Erfolgte dieser Verzicht ausweislich der Begründung explizit, „um den Bestand der Ziegelei nicht zu gefährden“ und ihr noch Freiräume für Betriebsveränderungen zu belassen, so spricht ein Erst-Recht-Schluss dafür, dass auch und gerade die Festsetzung des Mischgebiets anstelle eines Wohngebiets von dieser Absicht zumindest mitgetragen wird, mag sie auch zusätzlich noch anderen Motiven (Umsetzung des Flächennutzungsplans, S. 7 der Planbegründung, evtl. auch Absicherung damals möglicherweise noch vorhandener Kleingewerbebetriebe) entspringen“.[20]

Ein Verstoß des Vorhabens der H gegen drittschützende Festsetzungen des B-Plans liegt vor.

cc. Das Bauvorhaben der H verstößt folglich gegen Bauplanungsrecht.

dd. Auf eine bauordnungsrechtliche Zulässigkeit kommt es somit nicht mehr an.

c. Das Bauvorhaben der H ist insgesamt nicht genehmigungsfähig.

4. Die Baugenehmigung ist daher materiell rechtswidrig. Eine Rechtsverletzung der Z folgt aus dem Verstoß des Bauvorhabens gegen das im B-Plan zum Ausdruck kommende Gebot der Rücksichtnahme. Insgesamt überwiegt somit das Aussetzungsinteresse der Z, weshalb der Antrag der Z Erfolg haben wird.

 

Dogmatische Vertiefung

Hinsichtlich der im materiellen Baurecht regelmäßig zu prüfenden Zulässigkeit von Bauvorhaben könnt ihr Euch bereits gut an obigen Ausführungen orientieren. Einen systematischen Überblick, wie bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit vorzugehen ist, folgt zudem unter „A.“. Sodann kommt ihr unter „B.“ als kleinen „Aufheizer“ in den Genuss eines kurzen rechtsgeschichtlichen Exkurses, welcher eng mit dem Baurecht verwandt ist: Das berüchtigte Kreuzbergurteil. Unter „C.“ liefern wir euch sodann abschließend einen Überblick über die wichtigsten „Drittschützenden Normen im Baurecht“, welche euch als treues Nachschlagewerk bis ins Referendariat oder sogar bis hin zur Tätigkeit am Verwaltungsgericht begleiten kann. Zuletzt – unter „D.“ – zeigen wir einige zu Unrecht befürchtete Schnittstellen des Baurechts mit dem Kommunalrecht auf.

A. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben

#Systematik Planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben, § 29 ff. BauGB

Schritt 1: Liegt ein B-Plan vor? Je nach dem, richtet sich die Zulässigkeit nach…

(+): § 30 BauGB à vgl. oben Hinweiskasten: „Bauleitplanung“

1: Qualifizierter (Abs. 1) oder einfacher B-Plan (Abs. 3)?

1.a: Wenn qualifiziert – Vorh. zulässig (vgl. „Schritt 2“ unten) im Rahmen der…

1.a.α: …Regelbebauung (§§ 2-9 Abs. 2 BauNVO = entspricht den Festsetzungen des B-Plans)

1.a.β: …Ausnahmebebauung (§ 31 Abs. 1 BauGB, §§ 1 Abs. 3 S. 2 (Scharnier), 2-9 Abs. 3 BauNVO)

1.a.γ: …Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB unter Berücksichtigung der „Grundzüge der Planung“

1.b: Einfacher B-Plan, § 30 Abs. 3 (z.B. nur Vorgaben über das Maß der baulichen Nutzung); im Übrigen – insoweit der B-Plan keine Festsetzungen trifft – nach Planersatznormen §§ 34 & 35 BauGB:

(–): § 34 BauGB, wenn Vorh. im Innenbereich | § 35 BauGB, wenn Vorh. im Außenbereich

Schritt 2: Ergeben sich bei grundsätzlicher Zulässigkeit Gründe für eine Unzulässigkeit im Einzelfall (vgl. § 15 BauNVO)? Denn auch wenn sich das Vorhaben hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 genannten Merkmale innerhalb des prägenden Rahmens hält („Einfügen“), kann es ausnahmsweise wegen des Gebots der Rücksichtnahme unzulässig sein (und umgekehrt!).

Schritt 3: Hinsichtlich der Planersatznormen (§ 34 | § 35) gilt folgendes Regel-Ausnahme-Verhältnis: Der unbeplante Innenbereich steht einer Bebauung nicht per se entgegen; vielmehr ist das Vorhaben am Gepräge (Gebietscharakter, Nutzung) des konkreten Baugebiets zu messen (§ 34 Abs. 2 i.V.m. BauNVO).

Der unbeplante Außenbereich hingegen soll grundsätzlich von Bebauung verschont bleiben, § 35 BauGB (beachte den Wortlaut: „nur zulässig, wenn“. Eine Zulässigkeit von Bauvorhaben im Außenbereich wünscht der Gesetzgeber nur, wenn es sich um erwünschte Bebauung handelt:

–     Ausnahme 1: Privilegiertes Bauvorhaben (§ 35 Abs. 1 z.B. i.V.m. § 201 BauGB: Land- & Forstwirtschaft, Windanlagen, besonders störintensive Nutzung u.w.). Zulässigkeit (+), wenn „öffentlichen Belange nicht entgegenstehen“, vgl. § 35 Abs. 1, 3 BauGB (= wenn nach einer Abwägung das Vorhaben ausnahmsweise zurückstehen muss; in der Regel also Vorzug des – vom Gesetzgeber erwünschten – privilegierten Vorhabens. Das Bloße Tangieren / Beeinträchtigen soll hier gerade nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen). Abs. 3 will also eine Zug- und Nachahmungswirkung und somit das Entstehen einer unzusammenhängenden Bebauung (= Splittersiedlung) verhindern.

–     Ausnahme 2: Sonstige (nicht privilegierte) Vorhaben, § 35 Abs. 2 BauGB: Diese sind grundsätzlich weniger schutzwürdig und daher generell unzulässig, es sei denn, wirklich kein einziger öffentlicher Belang würde jemals berührt (vgl. Wortlaut: „beeinträchtigt“) werden; dann trägt Art. 14 GG den Bauwunsch und das nach Ansicht des BVerwG auch (entgegen dem Wortlaut in Abs. 2 „können“) in gebundener Form.

–     Ausnahme 3: Passiver Bestandsschutz (vgl. § 35 Abs. 4 BauGB).

 

#Definition: Grundzüge der Planung, § 31 Abs. 2 BauGB

Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz das durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzept eines Bauleitplans; eine allgemeingültige Feststellung einer Berührung verbietet sich. Stattdessen gilt: Je tiefer die Befreiung in den der Planung zugrunde liegenden Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Grundkonzept in einem Maße berührt ist, das eine (Um-)Planung erforderlich macht.

 

In Zusammenhang bebauter Ortsteil, § 34 BauGB (Abgr. zu § 35 BauGB)

Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S.d. § 34 BauGB ist jede vorhandene Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die trotz eventuell vorhandener Baulücken (BVerwG: maximal 2-3 Lücken)

–     den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt,

–     nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses städtebauliches Gewicht besitzt (BVerwG: mind. sechs (Wohn)Gebäude) und

–     Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (städtebauplanerisch gewachsen, Läden oder Erschließungsanlagen vorhanden; Abgrenzung zur sog. Splittersiedlung).

Fremdkörper (quantitativ oder qualitativ) werden bei der Beurteilung des § 34 Abs. 2 ausgeklammert.

 

#Definition: Einfügen, § 31 BauGB

Einfügen i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist gegeben, wenn sich das Vorhaben innerhalb des durch die Bebauung seiner Umgebung geprägten Rahmens hält und die erforderliche Rücksicht auf die unmittelbare Umgebung nimmt (Einheitlichkeit der Optik des ganzen Gebiets u. der Nutzungsart, bodenrechtliche Harmonie)

 

B. Rechtsgeschichte für den mündlichen Termin

#Hinweis: Kreuzbergurteil und die Baupolizei

Einen beliebten rechtshistorischen Exkurs in der mündlichen Prüfung stellt das sog. Kreuzbergurteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (Berlin) vom 14. Juni 1882 dar. In der Sache ging es um eine vom Berliner Polizeipräsidium im Jahre 1878 erlassene Rechtsverordnung, die den Eigentümern der Grundstücke rund um den Berliner Kreuzberg (höchste natürliche Erhebung in der Berliner Innenstadt) verbot, Gebäude über einer bestimmten Höhe zu errichten. Zweck dieses Verbots war, die Sicht auf das bereits 1821 errichtete Nationaldenkmal für die Befreiungskriege (Völkerschlacht bei Leipzig, 1813 bis Schlacht bei Waterloo, 1815) freizuhalten. Dem Eigentümer eines nahegelegenen Grundstücks war deswegen eine Baugenehmigung versagt worden, wogegen er geklagt hatte.

Das Preuß. OVG erklärte die Polizeiverordnung für unwirksam. Kern der Argumentation war, die Baupolizei sei nur für die Gefahrenabwehr, nicht aber für die Wahrung ästhetischer Interessen zuständig. Das Urteil war insofern bahnbrechend, als es klarstellte, dass stadtplanerische Gestaltung als Teil öffentlicher Wohlfahrtspolitik nicht zu den Aufgaben des Polizeiapparats gehört. Dies setzte der Allzuständigkeit der „guten Policey“ und damit dem Polizeistaat absolutistischer Prägung ein nachhaltiges Ende und markiert den Beginn des modernen Polizeirechts i.S.v. (Vor-)Denkern wie Robert von MOHL u.w. Die Wohlfahrtspflege sowie die (aktive) Gestaltung des sozialen Lebens im Bestreben einer „guten Ordnung“ wurden; das Aktionsfeld der Polizei wurde auf die Aufgabe begrenzt, gesetzwidrigen Handlungen oder Zuständen entgegenzutreten. wurde ihr versagt. Die Verwaltungsrechtsprechung stellte mit dem Urteil die Weichen für den bürgerlichen Rechtsstaat im MOHLschen Sinne: Rückführung polizeilicher Tätigkeit zur Abwehr „echter Gefahren“ im heutigen Sinne, Bindung der Polizei an Grundrechte, Emanzipation des privatautonomen Individuums von der paternalistischen Bevormundung des Stände- & Polizeistaates.

 

C. Drittschützende Normen im Baurecht

Eine Norm stellt ein subjektives Recht dar und wirkt somit drittschützend, wenn sie nicht nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht nur faktisch die Interessen des Einzelnen schützt, sondern nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch auf den Schutz von Individualinteresse gerichtet ist. MaW: Entweder muss der Wortlaut der Satzung (à B-Plan) oder der Norm („nachbarliche Interessen“, vgl. § 1 Abs. 3 BImSchG) oder ihre Auslegung ergeben, dass auf die subjektiven Interessen eines Dritten Rücksicht zu nehmen ist. Statuiert eine Norm Ermessensspielräume („kann“), so kann sich die nachbarschützende Wirkung aus einer Ermessensreduktion auf Null ergeben. Zuletzt ist die festgelegte Art der baulichen Nutzung, welcher nach Ansicht der Rspr. grundsätzlich drittschützende Wirkung zukommt, in Augenschein zu nehmen. Es ergibt sich folgende Darstellung:[21]

D. Baurecht & Kommunalrecht.

Nachdem wir nun hoffentlich nicht alle Leserinnen und Leser verschreckt haben, sei den Verbliebenen an dieser Stelle nur Mut gemacht: Nebenfächer hin oder her. Eine mehr oder minder „komplexe“ Baurechtsklausur mit kommunalrechtlichen Elementen bedeutet für Euer Examen nicht mehr und nicht weniger als deutlich bessere Chancen auf hohe Punktzahlbereiche – etwa verglichen zur Urteilsverfassungsbeschwerde, welche sich zum Glänzen aufgrund ihrer allgemeinen Bekanntheit eher weniger eignet. Die Baurechtsklausur lässt sich zudem auch deutlich besser durch Arbeit „stur am Gesetz“ lösen (die hier vermittelten Kenntnisse der grundlegenden Systematik vorausgesetzt), als etwa die Klausur zum europarechtswidrigen Subventionsbescheid oder die Anfechtung von Nebenbestimmungen ohne entsprechende Rechtsprechungskenntnisse.

Die Verzahnungen zwischen Bau- und Kommunalrecht sind denklogischen Ursprungs: Gebietsansprüche können schließlich nur schwer vom jeweils betroffenen Gebiet getrennt werden. Und Gebiete – etwa der unbeplante Innenbereich i. S. d. § 34 BauGB – unterliegen i. d. R. der Gebiets- und Satzungshoheit der betroffenen Gemeinde. Schwupps: Vorhang auf für die Regelungsbereiche der GO NRW.

 

I. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

Insbesondere im Bauplanungsrecht kommen regelmäßig die verfassungsrechtlichen Vorgaben der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie[23] des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bzw. Art. 78 LVerf NRW zum Tragen. Die örtliche Planungshoheit obliegt der Gemeinde.

#Definition Planungshoheit (nach BVerwGE 84, 209), vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB

Gemeindliche Befugnis, ohne durchgängige und strikte Bindung an staatliche Vorgaben aufgrund eigenen politisch-administrativen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums über bauliche und sonstige Verwendung und Nutzung des Grund und Bodens des Gemeindegebiets zu disponieren und die zur Verwirklichung des eigenverantwortlich wahrnehmbaren Gestaltungspotentials erforderlichen planerischen Leitlinien ohne imperative staatliche Beeinflussung zu entwickeln.

 

II. Baurecht X [meats] Kommunalrecht

Wird nun etwa die Planungshoheit einer Gemeinde durch ein Bauvorhaben einer Nachbargemeinde tangiert, so steht der u. U. beeinträchtigten Gemeinde das Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO offen (sog. Wehrfähigkeit der Planungshoheit)[24].

Das Einvernehmen der Gemeinde gem. § 36 BauGB setzt als Beteiligungsrecht der Gemeinde zudem dort an, wo präventiv vor vollendeten Tatsachen durch realisierte Bauvorhaben geschützt werden soll. Ein Einfallstor in das Kommunalrecht stellt also eben diese Ausübung der gemeindlichen Planungshoheit dar, welche i.d.R. in den Händen des Rates als demokratisch gewählter Repräsentation der Bürger liegt (vgl. § 41 Abs. 1 S. 2 lit. f, g GO). Damit besteht für den Klausursteller die Möglichkeit, etwa bei der Abstimmung über einen Bauleitplan die bekannten Standardprobleme des Kommunalrechts (Befangenheit, fehlerhafte Ladung, Ausschluss aus der Sitzung etc.) abzufragen, vorausgesetzt, der (baurechtliche) Fall sei noch zu „dünn“. Dazu aber vertiefend in der Zukunft!

 

Puh, das war eine ganze Menge zu verarbeiten und zu „repetieren“. Wie für das Öffentliche Recht üblich gilt wieder einmal: Ein ganzheitliches, verfassungsorientiertes Lernen sei dringend ans Herz gelegt. Wie jedoch ebenso üblich für das Fazit unserer EdM gilt: Es ist halb so wild! Wenn die hier erörterten Grundstrukturen und Definitionen sitzen, dann wird die Baurechtsklausur von Punktekatapult. Und da das Baurecht einen Kernbestandteil des Zweiten Examens darstellt, ist euer Lernaufwand auch mitnichten vergebens, sondern wahrlich das Fundament eures späteren Volljuristendaseins.[25]

[1] Der Originalfall wurde nach niedersächsischem Landesrecht verhandelt; aus didaktischen Gründen werden im Folgenden die Erwägungen und Normen ins nordrhein-westfälische Landesrecht übertragen.
[2] FYI: Zuständige Bauaufsichtsbehörde („kreisfreie Stadt …“ – str., ob Einvernehmen gem. § 36 BauGB nötig, wenn von B-Plan abgewichen werden soll. Bauaufsichtsbehörde und Bauplanungsbehörde sind im Falle kreisfreier Städte BezirksregierungVS. Kreis und selbstverwalterische Gemeinde – ); GO § 4 GO NRW +/-: dort steht, ab wv Einwohner man mittel groß und klein ist.
[3] FYI: Scharniernorm… tbd
[4] Hierzu unten ein kurzer Exkurs.
[5] Zum ausführlichen Sachverhalt: OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938.
[6] Kaiser, Besonderes Verwaltungsrecht: Bauplanungsrecht, JuS 2023, 895.
[7] FYI: Achtung – wir bearbeiten vorläufig ein Eilverfahren, welches durch Beschluss entschieden wird; vertiefend unsere Kolleg*innen von JurCase: https://jurcase.com/der-verwaltungsgerichtliche-beschluss/.
[8] FYI: § 42 Abs. 2 VwGO ist hier analog heranzuziehen, weil das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Rechte der Z im Hauptsacheverfahren sichern soll.
[9] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 6.
[10] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 7; hierin liegt ein wesentlicher (klausurrelevanter) Schwerpunkt der Entscheidung des OLG. Den „Planaußenlieger“ sowie die folgenden Ausführungen darf man sich also gerne ins Baurechts-Gedächtnis einzementieren.
[11] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 8.
[12] FYI: Im Drittanfechtungsverfahren ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Genehmigungszeitpunkt, nachträgliche Änderungen sind nur beachtlich, soweit sie zugunsten des Bauherrn wirken“, OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 10.
[13] FYI: Aus der Kompetenz des Bundes zur Regelung des „Bodenrechts“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) abgeleitetes, einschränkendes Element.
[14] FYI: Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB ist nicht abschließend, daher nicht ausdrücklich erwähnte Belange ebenso relevant.
[15] BVerwG, Urt. v. 7.5.2001 – 6 C 18.00, NVwZ 2001, 1046.
[16] Kaiser, JuS 2023, 895 (896).
[17] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 11.
[18] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 8, 10.
[19] Vgl. hierzu auch lehrreich Kaiser, JuS 2023, 895.
[20] OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.2.2023 – 1 ME 107/22, NVwZ 2023, 938, Rn. 7.
[21] Da jedoch hiermit verbundene Einzelheiten und Definitionen – soweit nicht bereits im oberen Entscheidungs-Teil geliefert – jedem der gängigen Lehrbücher/Skripten zu entnehmen sind, wollen wir Euch unter „D.“ zuletzt für ein weiteres Themenfeld sensibilisieren: Einfallstore ins Kommunalrecht.
[22] Vertiefend A. Decker, JA 2007, 55.
[23] FYI: Der Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst anerkanntermaßen vier Aspekte: 1. Institutionelle Garantie, 2. Geschützter Kompetenzbereich („örtliche Angelenheiten“), 3. Regelkompetenz der Gemeinde (= in der Regel gegebene Verbandskompetenz, in Abgr. zu enumerativem Katalog), 4. Eigenverantwortlichkeit, vorausgesetzt der jeweiligen a. Gebiets-, b. Organisations-, c. Personal-, d. Finanz-, e. Planungs- und f. Rechtssetzungshoheit (Eselsbrücke: GOPPF).
[24] FYI: Das Konzept des Normverwerfungsmonopols des BVerfG (vgl. Art. 100 GG) dürfte den meisten Prüflingen bekannt sein, vgl. auch §§ 78 S.1, 95 Abs. 3 S.1, 31 Abs. 2 BVerfGG.

Das sog. Nichtigkeitsdogma ist u. U. weniger geläufig, obgleich es Grundlage obiger Kompetenz des BVerfG verkörpert: Im Interesse der Widerspruchsfreiheit einer gestuften, also von Normenhierarchie gekennzeichneten Rechtsordnung, seien Rechtsnormen – darunter nach h.M. auch Satzungen – die gegen höherrangiges Recht verstoßen, unheilbar nichtig (exemplarisch: Art. 31 GG „Bundesrecht bricht Landesrecht“).

[25] Verfasser:        Christian Lederer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei HLB Schumacher Hallermann.

Supervision:        Dr. Lennart Brüggemann, Rechtsanwalt & Partner bei HLB Schumacher Hallermann.

 

 

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