Entscheidung des Monats Januar 2025
Strafrecht: "Beihilfe durch Täterschaft?" (Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte )
Die Hintergründe der Entscheidung
Im Frühjahr 2024 hatte der BGH[1] über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden. Dieser wurde vom Landgericht Hamburg[2] wegen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244 a Abs. 1, 53 StGB) verurteilt. Hintergrund des Verfahrens war nach den Feststellungen des Tatgerichts folgender Sachverhalt: Der Angeklagte („A“) gehörte einer Gruppierung an, die in Deutschland Autos stahl und in Polen veräußerte. Den Abreden entsprechend entwendeten in Deutschland aufhältige Mitglieder der Gruppe in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2022 in Hamburg zwei Kraftfahrzeuge, die sie fünf und zehn Kilometer von den jeweiligen Tatorten entfernt im Stadtgebiet abstellten. Nachdem sie den polnischen Teil der Gruppierung informiert hatten, machten sich A und zwei weitere Tatgenossen auf den Weg ins Hamburger Stadtgebiet, um die Kfz mit eigens hierfür hergestellten Kennzeichendubletten zu versehen und nach Polen zu überführen.
Als sie am selben Abend ihr Ziel erreichten, bemerkten sie, dass eines der beiden Fahrzeuge nicht mehr vor Ort war. Sie befürchteten, dass die Polizei ihr Vorhaben entdeckt hatte und sie bei planmäßiger Fortsetzung festnehmen würde. Sie entfernten sich unverrichteter Dinge. Kurze Zeit später wurden sie von Polizeibeamten, die den Abstellort observiert hatten, verhaftet. Ebenso wie die anderen Mitglieder beabsichtigte auch A, sich hierdurch eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen und daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.[3]
Die Entscheidung – „Beihilfe durch Täterschaft?“
Im Mittelpunkt des Revisionsverfahrens vor dem BGH stand die Rechtsfrage, wann im Falle eines mehraktigen Diebstahls Beendigung eintritt. Immerhin handelt es sich bei § 244a Abs. 1 StGB um eine Qualifikation zu § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, durch welche die bandenmäßige Begehung eines Diebstahls unter Verwirklichung des § 243 Abs. S. 2 StGB oder des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 StGB zu einem Verbrechenstatbestand (§ 12 Abs. 1 StGB) hochgestuft wird. Das Landgericht Hamburg ist in der Vorinstanz von einem schweren Bandendiebstahl auch des A (§ 244a Abs. 1 StGB) ausgegangen.[4]
Bezogen auf einen solchen Fall eines potentiellen schweren Bandendiebstahls können wir in Hinblick auf unser Gutachten nun bereits folgende Erkenntnisse allein aus dem Gesetz und unserem Grundlagenwissen ziehen: Die Erhebung zum Verbrechenstatbestand gibt dem Bearbeiter den Hinweis, auf keinen Fall die Versuchsprüfung zu vernachlässigen.
Hinweis: Dogmatik für die Katz?!
Neben all dem Pflichtstoff jetzt auch noch dogmatische Exkurse? Muss das sein? Wir finden: Ja, denn das Wissen um die Stellung und Strukturverwandtschaft sowie dogmatischen Verbindungen einzelner Tatbestände und Paragraphen hilft euch in der Prüfung, nicht den Überblick zu verlieren. Dieses vielzitierte Grundlagenwissen beugt ebenso vor, sich im Klein-Klein zu verlieren. Wer i.R.d. Raubprüfung etwa daran denkt, dass „Wegnahme“ in erster Linie ein Begriff des § 242 StGB ist, der kann zum einen erahnen, wie mancher Literat den Begriff i.R.d. § 249 StGB auszulegen meint: Namentlich deckungsgleich zu § 242 StGB. Deswegen stellt die Literatur auch hinsichtlich der Tathandlung auf die häufig schlagwortartig ohne Verstand benannte „innere Willensrichtung“ des Opfers ab (Wir erinnern uns, dass der „Bruch“ fremden Gewahrsams immerhin als die Aufhebung fremden Gewahrsams gegen den Willen (a.A.: ohne) des bisherigen Gewahrsamsinhabers zu definieren war). Zum anderen könnt ihr bei Kenntnis dogmatischer Verwandtschaft schnell in die richtige „Schublade“ greifen: So können euch i.R.d. § 249 StGB dieselben Abgrenzungsprobleme im Bereich des Gewahrsams begegnen, wie bei § 242 StGB (Stichworte: Enklave, Gewahrsamslockerung, mehrstufiger Gewahrsam etc.). |
Zudem drängt es sich im Kontext eines mehraktigen Diebstahlsgeschehens förmlich auf, akribisch den Zeit- und Tatverlauf zu untersuchen, um etwa von Anschlussdelikten abzugrenzen (dazu später); das gilt für § 242 StGB wie auch für seine Qualifikation in § 244a StGB. Zuletzt bemerkt der Bearbeiter, dass hier eine Vielzahl von Akteuren am Werk sind: Das schreit nach § 25 Abs. 2 StGB und dahin zu verortenden Problemkomplexen (Stichwort: Sukzessive Mittäterschaft). Somit steht das Prüfprogramm. Jetzt gilt es nur noch seine Gedanken (die „Skizze“) zu strukturieren!
Entgegen der Vorinstanz hat der BGH entschieden, dass der Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalte. A leistete seinen Tatbeitrag erst nach Beendigung des Diebstahls; eine sukzessive Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) komme nach Tatbeendigung nicht mehr in Betracht. Schauen wir uns dies nun gutachterlich an.
Hinweis: Sukzessive Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB
Hier wird der Tatentschluss zur (gemeinsamen) Tatausführung nicht vor Tatbegehung, sondern während der Ausführung der Tat begründet. Der Mittäter „steigt“ hier in Kenntnis und Billigung des Geschehens erst nachträglich in die Tat mit ein. Nicht ausreichend wäre es, wenn mehrere Personen nebeneinander und ohne Absprache handeln und dabei das gleiche Ziel verfolgen, auch wenn sie ihr Handeln gegenseitig wahrnehmen (z.B. Steinewerfer bei einer Demonstration). Grundsätzlich sind ein (konkludent oder ausdrücklich) gemeinsam gefasster Tatplan sowie ein objektiver Tatbeitrag des später Hinzukommenden erforderlich. Es stellt sich sodann die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Hinzutreten zur Tat möglich ist. Mit Blick auf den Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB, der die gemeinschaftliche Begehung einer „Straftat“ verlangt, welche gem. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB mit Vollendung abgeschlossen ist, spricht einiges dafür ein Hinzutreten nur zwischen Versuchsbeginn und Vollendung zuzulassen (hLit.). Die Rspr. ist hier großzügiger: Sie lässt auch noch Tatbeiträge nach Vollendung, aber vor Beendigung der Tat eine Mittäterschaft begründen. Laut der Gegenansicht überdehnt dieses Vorgehen den Tatbegriff, da die vom Tatbestand geforderten Handlungen im Zeitpunkt der Vollendung des Delikts bereits abgeschlossen seien (vgl. zur vertieften Darstellung: B. Heinrich in: Strafrecht AT, 7. Auflage 2022, Rn. 1237). Einigkeit herrscht hinsichtlich des Zeitraumes nach Beendigung der Tat. |
A. §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB
A könnte sich wegen schweren Bandendiebstahls gem. §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er als Mitglied einer Gruppierung, die in Hamburg entwendete und versetzte, Fahrzeuge abholen und ins Ausland verbringen wollte.[5]
I. Tatbestand
Dafür müsste A sowohl objektiv („1.“) als auch, gem. § 15 StGB, subjektiv („2.“) tatbestandsmäßig gehandelt haben.
1. Objektiver Tatbestand
a. Fremde bewegliche Sache
Zunächst müssten die zwei Kfz taugliche Tatobjekte gewesen sein, namentlich müsste es sich um fremde[6] bewegliche Sachen gehandelt haben.
Die zwei Kfz – körperliche Gegenstände, die tatsächlich fortbewegt werden können – wurden innerorts entwendet und fünf und zehn Kilometer von den jeweiligen Tatorten in demselben Stadtgebiet abgestellt.[7] Es ist nicht ersichtlich, dass die Täter (Mit-)Eigentum an den entwendenden Kraftfahrzeugen hatten oder diese herrenlos waren, sodass die Kfz als fremde bewegliche Sachen taugliches Tatobjekt einer Diebstahltat war.
b. Wegnahme
Weiterhin müsste A die Kraftfahrzeuge auch weggenommen haben.
#Definition Wegnahme
Wegnahme ist der Bruch, d. h. die gegen den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung fremden und die gleichzeitige oder spätere Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam bezeichnet die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (objektiv-faktisches Element) einer natürlichen Person (Gewahrsamsinhaber), die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen wird (subjektiv-voluntatives Element), bemessen nach der Verkehrsauffassung. |
Problematisch erscheint, dass A bei der Tatausführung selbst nicht die eigentliche Tathandlung vor Ort ausgeführt hat, namentlich die Kraftfahrzeuge nicht weggenommen hat.
Möglicherweise könnten ihm jedoch die Handlungen seiner Komplizen als eigene zugerechnet werden. Dafür müssten die Tatgenossen tatbestandsmäßig gehandelt haben und gem. § 25 Abs. 2 StGB die Voraussetzungen der Mittäterschaft vorliegen.[8]
aa. Wegnahme durch die Tatgenossen
Indem die Komplizen die zwei Kfz öffneten und diese dann in fünf bzw. zehn Kilometer Entfernung von den jeweiligen Tatorten im Stadtgebiet von Hamburg abstellten, übten sie die tatsächliche Sachherrschaft über die Autos aus und begründeten neuen tätereigenen Gewahrsam am Abstellort. Dies geschah auch gegen den Willen der Eigentümer. Diese wussten nicht, dass sich ihre Kfz noch in u. U. erreichbarer Nähe befanden; eine bloße Gewahrsamslockerung kommt daher nicht in Betracht. [9]
Hinweis: Gewahrsamssphäre & genereller Gewahrsamswille Vs. Besitz
Der Inhaber eines räumlich abgrenzbaren Bereiches (sog. Gewahrsamsspähre) übt nach der Verkehrsanschauung in diesem einen generell gültigen Gewahrsam über alle Sachen aus (etwa ein Supermarktinhaber hinsichtlich eines verlorenen 1.000 DM-Scheins; zum zivilrechtlichen Äquivalent des generellen Besitzwillens vgl. „Geldschein-Fall“). Er hat einen sog. generellen Gewahrsamswillen hinsichtlich aller Sachen in seiner Gewahrsamsspähre. Von Bedeutung wird dies, wenn man innerhalb einer fremden Gewahrsamssphäre Sachen verliert und insoweit der eigene Gewahrsam endet. Üblicherweise begründet an verloren gegangenen Sachen der Inhaber dieser Gewahrsamssphäre den Gewahrsam. Dies ist insoweit verwirrend, als da die zivilrechtliche Definition des Verlorenseins lautet: „Verloren sind Sachen, an denen niemand Besitz hat“. Hier zeigt sich also ein Aspekt der dogmatischen Unterscheidung von Gewahrsam und Besitz (vgl. auch § 808 ZPO, wo sie unzweideutig zum Ausdruck kommt); ein weiterer Aspekt ist, dass der Besitz ein Stück weit vergeistigter ist, wie § 868 BGB verdeutlicht. Anders verhält es sich bei vergessenen Sachen. Hieran begründet der Inhaber der Gewahrsamsspähre lediglich Mitgewahrsam. |
Ein vollendeter Diebstahl lag mithin mit Abstellen der Fahrzeuge vor.
bb. Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB hinsichtlich A
Zusätzlich müssen die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllt sein. Hierfür erforderlich sind ein gemeinsamer Tatentschluss (= Tatplan) sowie eine gemeinschaftliche Tatausführung in Form eines (im einzelnen umstrittenen) arbeitsteiligen Zusammenwirkens.[10]
(1) Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme
#Streit: Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme
Vielzitiert, i.d.R. aber nicht kriegs- bzw. streitentscheidend, ist die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Beide stellen im Ergebnis sowohl auf objektive als auch auf subjektive Merkmale abstellen. Tatherrschaftslehre / auch: materiell-objektive Theorie (Lit.): Abstellen primär auf objektive Kriterien. Danach ist Täter, wer als Zentralgestalt des Geschehens die planvoll-lenkende Tatherrschaft innehat. Diese besteht im vom Vorsatz umfassten steuernden In-den-Händen-Halten des tatbestandlichen Geschehensablaufs. Teilnehmer ist hingegen, wer ohne eigene Tatherrschaft bloße Randfigur des tatsächlichen Geschehens ist. Gesamtbetrachtungslehre / auch: Gemäßig-subjektive Theorie (Rspr.): Täter ist, wer die die Tat als eigene will (animus auctoris); Teilnehmer ist, wer mit Teilnehmerwillen tätig wird und die Tat „als fremde“ bloß veranlassen oder fördern will (animus socii). Indiziell sei auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insb.: – (Wille zur )Tatbeherrschung; Art, Umfang & Bedeutung der Tatbeteiligung; Interesse am Taterfolg… |
Hinsichtlich der Beteiligungsform ist nicht ersichtlich, dass der A durch seinen ähnlich gewichtigen Einsatz an den gestohlenen Kfz die Tat eines anderen lediglich als Randfigur fördern wollte; vielmehr wollte er als Täter „sein Stück vom Kuchen“ erarbeiten.
(2) Gemeinschaftlicher Tatplan und gemeinschaftliche Tatausführung
Die Täter haben hier im Vorfeld eine Abrede hinsichtlich der Tatausführung geschlossen und verfolgten somit einen gemeinsamen Tatplan. Jedoch trat der A erst nach Beginn der Diebstahltat (s.o.) in das Tatgeschehen ein. Es könnte demnach ein Fall der sukzessiven Mittäterschaft vorliegen.
Voraussetzung ist, dass A nachträglich in ein laufendes, noch nicht beendetes (Rspr.) Tatgeschehen eintritt, das bisherige Tatgeschehen kannte und billigte (nicht bloß zufälliger „Nebentäter“) und einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Tatbeitrag leistete. Einigkeit herrscht insoweit, als dass nach Beendigung der Tat eine sukzessive Mittäterschaft nicht mehr möglich ist; der Hinzutretende wird vielmehr Täter seiner ganz eigenen Tat.
Hier hatten A’s Komplizen die entwendeten Autos bereits mehrere Kilometer entfernt von den Tatorten abgestellt. Die Autos waren damit dem Zugriff der Berechtigten entzogen; der tätereigene Gewahrsam war gesichert. Dass eines der beiden Fahrzeuge zufällig entdeckt worden und die Polizei eingeschaltet worden sein könnte, ändert daran nichts.[11]
#Definition Beendigung eines Diebstahls
Ein Diebstahl ist abgeschlossen und damit beendet, wenn der Täter den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen gefestigt und gesichert hat. Wann eine ausreichende Sicherung der Beute erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei Kfz wird dies i.d.R. nicht der Fall sein, solange der Täter sich noch im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen befindet oder aus anderen Gründen einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die Beute durch Nacheile zu verlieren. |
Der Diebstahl war somit beendet, weshalb A als Mittäter dieser Diebstahltat ausscheidet; Tathandlung und -Erfolg können dem A nicht mehr zugerechnet werden.[12]
2. Der objektive Tatbestand wurde durch A nicht erfüllt.
II. A handelte demnach bereits mit Blick auf §§ 242, 25 Abs. 2 StGB insgesamt nicht tatbestandsmäßig.
A hat sich nicht wegen schweren Bandendiebstahls gem. §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
Nach Tatbeendigung können Beteiligungshandlungen Dritter lediglich noch den Tatbestand der Hehlerei gem. §§ 259 ff. StGB oder der Begünstigung gem. § 257 StGB erfüllen.[13] Auch weist der BGH darauf hin, dass das Tatgericht in Bedacht zu nehmen haben wird, dass sich das erfolgslose Handeln des Angeklagten zugleich auf zwei Kraftfahrzeuge richtete und damit ggf. als eine versuchte Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 52 StGB) zu werten wäre.[14]
B. §§ 259 Abs. 1, 3, 260a Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB
A könnte sich einer versuchten gewerbsmäßigen Bandenhehlerei gem. §§ 259 Abs. 1, 3, 260a Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die zuvor von seinen Komplizen gestohlenen Autos ins Ausland verbringen und weiterverkaufen wollte, um sich so seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
I. Vorprüfung
A wurde vor Ausführung einer Tathandlung i.S.d. § 259 Abs. 1 StGB festgenommen. Eine Strafbarkeit aus vollendetem Delikt scheidet aus. Die Versuchsstrafbarkeit folgt aus dem Verbrechenscharakter der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 23 Abs. 1 StGB).
II. Tatbestand
1. A müsste einen entsprechenden Tatentschluss gefasst haben.
#Definition Tatentschluss
Tatentschluss ist der endgültige Wille zur Verwirklichung eines Tatbestandes bei Kenntnis der den objektiven Tatbestand kennzeichnenden Umstände sowie das Aufweisen weiterer – falls vorhanden – deliktsspezifischer subjektiver Tatbestandsmerkmale in der Person des Täters. |
a) Grunddelikt, § 259 StGB
Der Tatentschluss des A müsste sich auf die Hehlereihandlung an einer Sache, die ein anderer gestohlen hat, beziehen. Hier waren die aus dem beendeten Diebstahl der Mitkomplizen stammenden Kfz taugliche Tatobjekte. A wollte diese im Ausland selbstständig und weisungsunabhängig im Interesse des Vortäters verwerten oder hierzu als Teil der Gruppierung beitragen, wobei er – vorsätzlich – Dritten Besitz an der Sache zu deren eigener Verfügungsgewalt verschaffen wollte. Dabei wies A auch die Absicht einen Ver mögensvorteil für sich zu erlangen auf, handelte mithin mit Bereicherungsabsicht.
Hinweis: Erfordernis eines Absatzerfolges, § 259 StGB
Lange Zeit umstritten, nunmehr (seit 2013) aber von der Rspr. infolge des mittlerweile eindeutigen Wortlauts anerkannt, ist das Erfordernis eines Absatzerfolges. Einen in diesem Sinne gelungenen Absatz stellt die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Erwerber dar. Er ist in Abgrenzung zu bloßen Absatzbemühungen folgerichtig, da andernfalls die Versuchsstrafbarkeit (Abs. 3) entwertet würde. |
b) Qualifikation, § 260a StGB
A hatte zudem Tatentschluss zur gewerbsmäßigen Bandenhehlerei gem. § 260a StGB gefasst, mithin die Absicht seinen Lebensunterhalt aus den Früchten der Taten zu bestreiten.
#Definition Gewerbsmäßig
Gewerbsmäßig handelt, wem es darauf ankommt, sich aus wiederholter Begehung eine fortlaufende Haupt- oder auch nur Nebeneinnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang (Erheblichkeit) zu schaffen. |
#Definition Bande
Bande ist eine Gruppe von mind. drei (hM) Personen, die sich zur Verübung fortgesetzter Straftaten verbunden haben; hier begründet gerade die „Rechte und Pflichten“ normierende Bandenabrede die abstrakte Gefahr, weshalb bereits der Gehilfe zur Erfüllung der Bandenqualität ausreicht. Gemischte Banden aus Dieben, Räubern und Hehlern fallen unter den Bandenbegriff. |
2. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
#Definition Unmittelbares Ansetzen
Unmittelbar zur Tat angesetzt hat derjenige Täter, der nach seiner Vorstellung von der Tat alles Erforderliche unternommen hat, sodass seine letzte Ausführungshandlung ohne weitere Zwischenakte, d. h. ohne einen weiteren Willensimpuls, unmittelbar in den tatbestandlichen Erfolg einmündet und subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los!“ überschritten hat. |
Hinsichtlich des Absetzens müsste A für den Versuchsbeginn unmittelbar zur Übertragung der Verfügungsgewalt an einen anderen angesetzt haben. Hier brechen die Bandenmitglieder ab, bevor sie die Autos zwecks Verkauf ins Ausland verbringen können. Ein unmittelbares Ansetzen zum Absetzen liegt mithin nicht vor.
Allerdings könnte A auch zur Absatzhilfe unmittelbar angesetzt haben.
#Definition Absatzhilfe
Absatzhilfe ist das weisungsgebundene, unselbstständige Unterstützen des Vortäters bei dessen Bemühungen um eine wirtschaftliche Verwertung der gestohlenen bzw. bemakelten Sache. |
Wann das unmittelbare Ansetzen zur Absatzhilfe beginnt, ist umstritten:
#Streit: Versuchsbeginn bei der Absatzhilfe
Theorie erfolgsbezogener Absatzhilfe (hLit. – weniger streng): Eine Ansicht nimmt wegen der Erfolgsbezogenheit auch dieser Tatvariante einen Versuch der Absatzhilfe erst dann an, wenn der Absatzhelfer unmittelbar zur Übertragung der Verfügungsgewalt auf den Erwerber angesetzt hat, also die gestohlene bzw. bemakelte Sache in die zweite Hand weitergeschoben werden soll. Der Transport der Deliktsbeute zum Absatzort ist grundsätzlich bloße Vorbereitung der Absatzhilfe. Ein unmittelbares Ansetzen zum Absatz kommt lediglich bei der unmittelbar bevorstehenden Ankunft am Übergabeort in Betracht. Dies wird dem akzessorischen Ansatz der Absatzhilfe gerecht. Absatzplanförderungstheorie (Rspr. – streng): Laut BGH stellt bereits jede Handlung eine strafbare Absatzhilfe dar, die mit der Intention vorgenommen wird, den Absatzplan des Vortäters unmittelbar zu fördern (etwa der Transport zum Absatzort). Demnach sei für die Beurteilung des Versuchsbeginns auf das unmittelbare Ansetzen des Absatzhelfers selbst abzustellen. Die Strafbarkeit wegen versuchter Absatzhilfe beginne, wenn der Absatzhelfer eine Handlung vornehme, mit der er nach seiner Vorstellung unmittelbar zu einer Förderung der – straflosen („Stehler kann nicht Hehler sein“) – Absatztat des Vortäters ansetze (vertiefend: BGHSt 63, 228). – Widersprüchlich straft der BGH im Versuchsfall den – im Vergleich zum selbstständig handelnden Absatztäter mit geringerer krimineller Energie agierenden – Absatzhelfer erheblich strenger. |
Hier hatte A zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Kfz, da er sein Vorhaben sogar noch vor einem eigenen unmittelbaren Ansetzen zu einer Förderungshandlung, etwa zum Kennzeichenwechsel, abgebrochen hatte. Ein Versuch und somit eine Strafbarkeit des A wegen versuchter gewerbsmäßiger Bandenhehlerei gem. §§ 259 Abs. 1, 3, 260a Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB dürfte ausscheiden.
Demnach bliebe A nach hiesiger Würdigung insgesamt straffrei.
C. Exkurs: Straftaten im Zusammenhang mit der Manipulation von Kennzeichen
Hinweis: Kfz(-Kennzeichen) im Strafrechtssachverhalt
Kommen im Sachverhalt Kraftfahrzeuge vor, so sollten vor dem geistigen Auge der Bearbeiter folgende Tatbestände aufblitzen wie Lichthupen auf der A1 und (zumindest gedanklich) angeprüft werden: § 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (gerne vergessen und daher wohl-honoriert) § 248b StGB – Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs (u. U. mehrfach in Tatmehrheit, § 53 StGB) §§ 315b ff. StGB – Verkehrsdelikte sind beliebter Prüfungsstoff und in hohem Maße praxisrelevant! Werden im Sachverhalt von den Tätern Manipulationen an Kennzeichen (meist zur Verdeckung einer Diebstahlstat an Fahrzeugen) erwogen, so gilt es hoch-präzise zu arbeiten: Schließt der Bearbeitervermerk das Nebenstrafrecht (namentlich § 22 StVG) aus? Ansonsten können hier bereits durch die Kenntnis der Existenz des § 22 StVG reichlich Punkte gesammelt werden. „Leiht“ der Dieb sich zum Zwecke des Transports das Kennzeichen eines umstehenden Fahrzeugs, so steht bereits hier eine (erste) Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB an dem fremden Kennzeichen in Rede. Vom Einzelfall abhängig, in eurem Sachverhalt aber benannt, ist dann das Aufweisen des nach innen überschießenden, subjektiven Merkmals der Nachteilszufügungsabsicht (sicheres Wissen!). Zudem kann ein Diebstahl des Kennzeichens gem. § 242 StGB erwogen werden; dieser scheitert aber bei Rückführungsabsicht des Täters („Leihen“) an mangelndem Enteignungsvorsatz. Eine Urkundenunterdrückung beim eigenen Fahrzeug (Abmontieren des ursprünglichen Kennzeichens zum Zwecke des Ersetzens mit dem fremden, „geliehenen“ Kennzeichen) ist ebenso vorliegend, wie die Erfüllung des Tatbestandes der Herstellung einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB) und Urkundenfälschung (Alt. 3) durch das Austauschen der Kennzeichen. Das von vornherein so geplante Herstellen und spätere Gebrauchen stellen nach ganz h.M. eine einzige Deliktsverwirklichung dar (vgl. BGH NStZ 2018, 205; 2018, 468). |
Der tatbestandliche Erfolg eines Kennzeichenmissbrauchs (Nebenstrafrecht) gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StVG ist nicht eingetreten. Zwar planten A und seine Komplizen einen solchen, um das Entdeckungsrisiko zu mindern. Jedoch wurden ihre Pläne von den wartenden Polizeibeamten durchkreuzt noch bevor die drei Ganoven zur Tat ansetzten. Eine Versuchsstrafbarkeit ist für das Vergehen gem. § 22 StVG im Übrigen nicht geregelt.
Dogmatische Vertiefung
Der BGH verweist am Ende der Entscheidung auf mögliche Anschlussdelikte, wegen derer sich der Angeklagte nach Tatbeendigung strafbar gemacht haben könnte.[15] In Betracht zieht der BGH hier die Hehlerei nach § 259 StGB, die (versuchte) Bandenhehlerei nach § 260a Abs. 1 StGB sowie die Begünstigung nach § 257 StGB.[16]
Angesichts solcher Delikte, die sich einer rechtswidrigen Vortat anschließen, verschließen sich nicht wenige Studierende angesichts einer gesteigerten Komplexität, bedingt durch eine typische Mehraktigkeit des Geschehens und einer handelnden Mehrzahl an Tatbeteiligten dieser Deliktsgruppe. Das Wissen beginnt und endet meist beim alten Merkspruch „Der Stehler kann nicht Hehler sein“.[17] Wir wollen uns daher die Systematik der §§ 257 ff. StGB genauer anschauen und damit Euch eine Chance bieten, sich von den anderen abzusetzen – mithin Absatzhilfe im wissenschaftlichen Sinne betreiben (höhö).
A. Systematik der Hehlerei
#Aufbauschema Hehlerei, § 259 StGB (nach Rengier)
I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Rechtswidrige (gegen fremdes Vermögen gerichtete) Vortat eines anderen, b) durch die der Vortäter eine Sache erlangt hat. c) Tathandlungen bezüglich dieser Sache (im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter) (1) Sich oder einem Dritten Verschaffen (mit Ankaufen als Unterfall) oder (2) Absetzen oder Absatzhelfen 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz b) Eigennützige oder fremdnützige Bereicherungsabsicht II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Qualifikationen (§§ 260, 260a) |
Für die Auslegung des § 259 StGB sind das Wesen und das Rechtsgut des Tatbestandes von besonderer Bedeutung. Der Unrechtsgehalt der Hehlerei als Vermögensdelikt wird heute durch zwei Aspekte bestimmt. Der eine Aspekt (nach der von der ganz h.M. vertretenen Perpetuierungstheorie) besteht in der Aufrechterhaltung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage durch einvernehmliches Zusammenwirken mit dem Vortäter; geschütztes Rechtsgut ist mithin das Vermögen. Ein Zusammenwirken des Vortäters mit dem Hehler ist für alle Begehungsformen der Hehlerei unerlässlich.[18] Die bereits durch die Vortat missachteten fremden Vermögensinteressen werden dadurch beeinträchtigt, dass der Hehler die durch die Vortat geschaffene rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhält und die Wiederherstellung der früheren rechtmäßigen Vermögenslage durch Verschiebung erschwert. Ausreichend ist jedoch bereits die abstrakte Gefahr (= abstraktes Gefährdungsdelikt), dass sich durch die Hehlereihandlung die Chancen des Opfers, die entzogene Sache wiederzuerlangen, verschlechtert haben.[19]
Den zweiten Aspekt verdeutlicht die sog. Gefährlichkeitstheorie: Demnach werden durch die Hehlerei auch allgemeine Sicherheitsinteressen verletzt. Grund dafür sei, dass die Mehrzahl der Vermögensdelikte nur begangen wird, um später die Deliktsbeute zu verkaufen oder sonst abzusetzen (sog. Beschaffungskriminalität). Dies mache die Hehlerei besonders gefährlich, da die Bereitschaft zur Abnahme strafbar erlangter Sachen einen ständigen Anreiz zur Begehung von Vermögensdelikten bilde.[20]
Konsequenzen der divergierenden Ansichten hinsichtlich des Unrechtsgehalts ergeben sich i.R.d. Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Sie sind in der Weise zu interpretieren, dass § 259 StGB all jene, aber auch nur jene, Verhaltensweisen erfasst werden, die über die Perpetuierung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Besitzlage hinaus die abstrakte Gefährlichkeit der Hehlereihandlung begründen – beide Rechtsgüter müssen mithin kumulativ verletzt sein.[21]
B. Täterschaft und Teilnahme
Täter der Hehlerei kann jeder sein, der nicht Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter der Vortat war.[22] Dagegen schließt Mittäterschaft an der Vortat nicht Hehlerei an einer Sache aus, die aus einem Exzess eines Mittäters stammt.[23]
Darüber hinaus kann nach h.M. auch derjenige Täter einer Hehlerei sein, der als Teilnehmer der Vortat agiert hat.[24] Dies gilt auch dann, wenn er bereits bei der Teilnahmehandlung auf die Beute abzielt. Die Taten stünden in Realkonkurrenz zueinander.[25]
Kein tauglicher Täter einer Hehlerei ist der durch die Vortat geschädigte Berechtigte, da bei der Wiedererlangung durch diesen die rechtswidrige Besitzlage beendet wird.[26]
Denkbar ist eine Hehlerei sowohl in Mittäterschaft als auch in mittelbarer Täterschaft.[27] Für die Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB.[28]
C. Konkurrenzen
Es handelt sich um lediglich eine Tat, wenn der Hehler mehrere aus verschiedenen Vortaten stammende Gegenstände durch eine Handlung erwirbt oder absetzt.[29] Wegen einer Hehlerei ist zu bestrafen, wer mehrere Begehungsformen des § 259 Abs. 1 StGB nacheinander hinsichtlich derselben Sache verwirklicht oder wer eine Tathandlung durch verschiedene Beiträge mehrfach verwirklicht. Hat der Täter die Hehlerei bereits durch Ankauf der Sache verwirklicht, stellt das Absetzen eine mitbestrafte Nachtat dar.[30]
Tateinheit ist insb. möglich mit Begünstigung (§ 257 StGB), Strafvereitelung (§ 258 StGB), Geldwäsche (§ 261 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Weiterhin kommt Tateinheit zwischen Hehlerei und Betrug zum Nachteil des Erwerbers in Betracht, nicht jedoch zwischen Hehlerei und Betrug, Nötigung oder Erpressung zu Lasten des Vortäters, da es in diesem Fall an dem erforderlichen Einvernehmen zwischen Vortäter und Hehler fehlt.[31]
Hinter der Hehlerei tritt regelmäßig die Unterschlagung aufgrund formeller Subsidiarität zurück. Es kann sich jedoch in Ausnahmefällen um Tatmehrheit handeln, wenn die Hehlerei durch Absetzen eines Beuteteils begangen wird und die Unterschlagungshandlung in der anschließenden eigenmächtigen Zueignung des Rests der Beute besteht.[32]
Tatmehrheit liegt regelmäßig im Verhältnis zu Straftaten, die durch Verwertungshandlungen des Erwerbers im Anschluss an eine Hehlerei begangen werden, sowie zwischen Teilnahme an der Vortat und Hehlerei vor.[33]
D. Weitere Anschlussdelikte und Ausblick
Neben der Hehlerei gehören auch die Begünstigung (§ 257 StGB – Sicherung der aus der Vortat erlangten Vorteile gegen Entziehung), Strafvereitelung (§ 258 StGB) sowie Geldwäsche (§ 261 StGB) zu den Anschlussdelikten. Die Grundstruktur dieser läuft gleich: Alle verlangen tatbestandlich die Vortat eines anderen als Anknüpfung, mit Ausnahme der weiter gefassten Geldwäsche.[34] Durch Feinarbeit hinsichtlich der Prüfungsstruktur (Vortat vor Anschlussdelikt) sowie der Abgrenzung der einzelnen Anschlussdelikte voneinander setzt sich der Prüfling bereits von der Masse ab; Detailkenntnisse zu „Streits“ sind nice to have aber fürs VB nicht zwingend notwendig. In diesem Sinne sei Euch nun eine verdiente Pause verschafft – Absatzerfolg garantiert.[35]
[1] Zum ausführlichen Sachverhalt: BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025.
[2] LG Hamburg, Urt. v. 19.4.2023 – 629 KLs 11/22.
[3] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 2.
[4] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 1.
[5] FYI: Bereits der Obersatz verdeutlicht: Hier liegt in zeitlicher Hinsicht etwas im Argen. Wenn die Fahrzeuge bereits „entwendet“ waren, war der Diebstahl dann schon beendet? Und wäre dann nicht vielmehr ein Anschlussdelikt zu prüfen? Euer Bauchgefühl zeigt Euch hier den Schwerpunkt auf!
[6] FYI: Oftmals lässt sich die Fremdheit einer Sache recht schnell feststellen und Prüflinge sollten an dieser Stelle nicht zu viel Zeit lassen. Einer genaueren Feststellung hinsichtlich der Fremdheit der Sache bedarf es jedoch im Falle sog. herrenloser Sachen. Herrenlos sind Sachen, die in niemandes Eigentum stehen. Die Herrenlosigkeit kann von Anfang an bestehen oder später durch die Aufgabe des Eigentums (Dereliktion, § 959 BGB) eintreten – aber Achtung, die Eigentumsaufgabe bemisst sich ausschließlich nach zivilrechtlichen Maßstäben! (Schmitz, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 242 Rn. 34).
[7] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 2.
[8] FYI: Häufig missachtet, aber von unschätzbarem (Erkenntnis-)Wert: § 25 StGB stellt eine Zurechnungsnorm dar. Zugerechnet werden müssen nur solche Tatbeiträge, welche nicht selbst in der eigenen Person verwirklicht wurden. Eine Zurechnung scheidet schlechterdings aus, wenn der konkrete Tatbestand an den Täter bestimmte subjektive Merkmale knüpft (Sonderdelikte) oder eine unmittelbare Vornahme der Tatbestandsverwirklichung voraussetzt (eigenhändige Delikte). Mittäterschaft bezeichnet also das bewusste und gewollte (subjektives Element = Tatplan) Zusammenwirken (objektives Element = Tatbeiträge) mehrerer Mittäter im Normbereich eines der Mittäterschaft zugänglichen Tatbestandes.
[9] FYI: Ein „Gewahrsam in gelockerter Form“ besteht fort, wenn der Gewahrsamsinhaber durch eine Täuschung veranlasst scheinbar kurzfristig einen Gegenstand an den Täter übergibt (z.B. Handy) oder eine räumliche Entfernung vorliegt (z.B. Fahrrad vor Haustür; landwirtschaftliches Gerät auf dem Feld).
[10] Kudlich, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 25 Rn. 44.
[11] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 4.
[12] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 3.
[13] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 4.
[14] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 5.
[15] BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 5 StR 580/23, BeckRS 2024, 4025 Rn. 4 f.
[16] FYI: Ihren historischen Ursprung haben die §§ 257 ff. StGB in der „normalen“ Beihilfe. Erst Anfang des 19. Jhd. wurden die Delikte allmählich aus dem Beihilfekontext herausgelöst, das eigennützige Gewinnstreben des Täters betont und als selbstständige Delikte mit eigenem Unrechtsgehalt (dazu unten) anerkannt.
[17] Rengier, in: Rengier, Strafrecht BT I, 26. Aufl. 2024, § 22 Rn. 1; Kretschmer, JA 2023, 382 (382).
[18] Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 259 Rn. 1; Rengier, in: Rengier, Strafrecht BT I, 26. Aufl. 2024, § 22 Rn. 2.
[19] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 2.
[20] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 3. Die Gefährlichkeitstheorie ist indes nicht unumstritten. Die Gegenmeinung erhebt den Einwand, dass die Hehlerei den Gefährlichkeitsaspekt nicht generell aufweise. Argumentiert wird dies mit der Gelegenheitshehlerei und dem Verweis des Gesetzgebers auf das Strafantragserfordernis der §§ 247, 248a in § 259 Abs. 2 StGB. Jedoch wird der Anreiz zur Begehung der Vortat auch durch einen Gelegenheitshehler geschaffen, das die Begehung der Vortat begründende Vertrauen der potentiellen Vortäter in den Absatz der Beute wird nicht durch eine einzelne konkrete Hehlerei begründet (Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 5).
[21] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 8.
[22] Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 259 Rn. 49.
[23] Hecker, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 259 Rn. 50.
[24] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 159; zum Meinungsstreit s. Kindhäuser/Hilgendorf, in: LPK-StGB, 9. Aufl. 2022, § 259 Rn. 7 ff.
[25] Rengier, in: Rengier, Strafrecht BT I, 26. Aufl. 2024, § 22 Rn. 71.
[26] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 44.
[27] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 160.
[28] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 58.
[29] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 63.
[30] Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 176.
[31] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 64; Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 177.
[32] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 65.
[33] Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 63. Ed., Stand: 01.11.2024, § 259 Rn. 66; Maier, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 181.
[34] Kretschmer, JA 2023, 382 (382 f.).
[35] Verfasser: Svenja Beckmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei HLB Schumacher Hallermann,
Christian Lederer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei HLB Schumacher Hallermann
Supervision: Dr. Lennart Brüggemann, Rechtsanwalt & Partner bei HLB Schumacher Hallermann