Entscheidung des Monats Mai 2023
Zivilrecht - Online-Auktionen
Hinweis vom HLB-Team: eBay-Auktionen verlieren in der juristischen Prüfung weder an Aktualität noch an Beliebtheit. Die Fälle können sich dabei jedoch als durchaus abstrus darstellen. In diesem Monat – passend zum aufkeimenden Frühlingswetter – geht es um die Online-Versteigerung eines Ausflugsschiffes. Geht denn das? Wie verhält es sich bei Auktionen, die einen hohen fünfstelligen Wert erreichen? Müssen solche speziellen Anforderungen gerecht werden? Genau diesen Fragen hatten in erster Instanz das Landgericht Düsseldorf (Az. 8 O 321/20) sowie nun – im Rahmen der Berufung – das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: I-23 U 71/22) nachzugehen, wobei letzteres kürzlich einen bestätigenden Hinweisbeschluss im Rahmen des § 522 Abs. 2 ZPO erließ. Den Entscheidungen ist zu entnehmen, dass das Recht weiterhin einen sicheren Hafen bietet, in welchem der gut vorbereitete Jurist einzig mit entsprechender Argumentation anzulegen wissen muss.
Es zeigt sich zudem, dass die unbedingte Kenntnis des Allgemeinen Teils des BGBs nahezu unumgänglich ist, wenn man auf dem juristischen Parkett überzeugen will. Fragen aus dem Vertragsrecht, speziell dem Stellvertretungsrecht sowie zur Rechtsgeschäftslehre (Anfechtbarkeit, Rechtsfolgen) sind nicht nur hoch examensrelevant, sondern auch mitten aus dem Leben, wie unser Fall des Monats verdeutlichen soll. Eine Auswertung der Universität Köln ergab, dass gut 67% der 150 untersuchten Klausuren im Zivilrecht in irgendeiner Form den BGB AT abfragten. Einzig das allgemeine und besondere Schuldrecht konnten dieses Ergebnis mit einer Prävalenz in den Examensklausuren von jeweils etwa 80 % übersteigen. Dem wollen wir im Folgenden Rechnung tragen.
Es bietet sich daher an im dogmatischen Vertiefungsteil die gängigsten rechtlichen Problemschwerpunkte – regelmäßig aus den Bereichen BGB AT und Schuldrecht – zu beleuchten und zu erläutern: Spielen manchmal die AGB eines Privatverkäufers oder die Nutzung eines fremden Kontos durch einen Minderjährigen eine tragende Rolle, so kann sich im Sachverhalt mit der Fallgruppe des Abbruchjägers auch das allgemeine Schuldrecht in vertiefter Form wiederfinden (dazu unten). Viel Spaß bei der Lektüre!
Die Hintergründe der Entscheidung
Dat jibet doch nit! – Eng 2020 hatte veer Kölsche Gastronomen dat 53 Johr ahl Ausflugsschiff „MS Stadt Düsseldorf“ op de Auktionsplattform „eBay“ ersteig… Ah, Verzeihung, da kam der Kölner raus:
Ende 2020 hatten vier Kölner Gastronomen das 53 Jahre alte Ausflugsschiff „MS Stadt Düsseldorf“ auf der Auktionsplattform „eBay“ ersteigert.[1] Mit einem Höchstgebot i.H.v. 75.050,- € erhielten die Kläger bei Auktionsende am 29.08.2020 den Zuschlag. Die Beklagte – das Unternehmen „Weisse Flotte“ –, die das Schiff gegen Höchstgebot anbot, handelte durch die Ehefrau eines ihrer beiden Geschäftsführer.
Noch am selben Tag erhielt der Kläger eine Textnachricht des Geschäftsführers L der Beklagten, in der sie ankündigte, gegen den Kläger und die Internetplattform eBay wegen Manipulation der Versteigerung Strafanzeige zu erstatten: Andere Bieter seien wegen eines Ebay-eigenen Verifizierungssystems (so in den AGB niedergelegt) für Angebote jenseits der 50.000,- € gar nicht erst zum Zuge gekommen und von der Auktion ausgeschlossen worden. Die Beklagte brach den Kaufüber eBay nachträglich ab. Der Plan der Kläger ist es – unter neuer Flagge – das Schiff umgetauft gastronomisch zu nutzen; ein insoweit vergleichbares Konzept mit jenem der hiesigen MS Günther. Die Beklagte hatte sich indes wohl einen deutlich höheren Erlös erhofft. Auf ein anwaltliches Schreiben vom 04.09.2020, in dem der Kläger die Beklagte zur Leistung Zug um Zug unter Fristsetzung bis zum 11.09.2020 aufforderte, reagierte die Beklagte ablehnend. Am 14.09.2020 teilte sie mit, dass für sie eine Herausgabe des Schiffes nicht in Betracht komme. Dies begründeten sie u.a. damit, dass das Schiff noch mit einer Schiffshypothek[2] i.H.v. 1,4 Mio. € belastet gewesen sei und daher gar nicht hätte versteigert werden dürfen.
Der Kläger hingegen ist der Ansicht, dass ein wirksamer Kaufvertrag mit der Beklagten zustande gekommen sei. Insbesondere stehe dem Kaufvertrag und seinem Herausgabeanspruch die Eintragung des streitgegenständlichen Schiffes in das Binnenschiffregister nicht entgegen. Die Klage der Bieter war entsprechend auf Eigentumsübertragung, Bewilligung der Eintragung in das Binnenschifffahrtsregister und Herausgabe des Schiffes[3] gerichtet.
In erster Instanz urteilte das LG Düsseldorf zugunsten der Kläger. Das OLG Düsseldorf hat sich nun als Berufungsinstanz mit der Sache zu beschäftigen. Doch der Wind steht nicht günstig für den Verkäufer: Im Rahmen eines Zurückweisungsbeschlusses[4] gem. § 522 Abs. 2 ZPO bestätigte nun das OLG, die geltenden Auktionsvorgaben seien bekannt und fair gewesen. Eine Stellungnahme der „Weissen Flotte“ steht noch aus – sollten sie nicht früher, bis zum 8. Mai, kapitulieren.[5]
Die Entscheidung
Das LG Düsseldorf verurteilte die Beklagte, Zug um Zug (§ 348 S. 1 BGB) gegen Zahlung des Kaufpreises von 75.050,- € das Eigentum an dem im Binnenschiffsregister eingetragenen[6] Motorschiff „Stadt Düsseldorf“ an den Kläger zu übertragen, die Eintragung der entsprechenden Eigentumsänderung im Register zu bewilligen und den Besitz an dem Schiff an den Kläger herauszugeben.
Als taugliche Anspruchsgrundlage kam zunächst der zwischen den Parteien über die Auktionsplattform eBay geschlossene Kaufvertrag in Betracht, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 3 SchiffRG. Demnach wäre der Verkäufer einer Sache durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer die Sache solvendi causa zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Dass es sich bei dem Kaufgegenstand um ein Schiff und nicht etwa ein – in Hamm beliebt – Pferd oder Fahrzeug handelt, ist bei achtsamer Gesetzeslektüre unproblematisch. Wir stellen fest, dass § 452 BGB eine entsprechende Anwendung der Kaufvorschriften auf eingetragene Schiffe zulässt. Des Weiteren finden wir in § 3 SchiffRG die notwendigen Informationen über die Voraussetzungen eines wirksamen Verfügungsgeschäfts und somit das schiffsrechtliche Pendant zu § 929 (für bewegliche Sachen), §§ 925, 873 BGB (für Grundstücke): Gem. § 3 SchiffRG sind zur Übertragung des Eigentums an einem im Binnenschiffsregister eingetragenen Schiff die Einigung des Eigentümers und des Erwerbers hierüber und die Eintragung des Eigentumsübergangs in das Binnenschiffsregister erforderlich.[7]
- Kaufvertrag
Zunächst müssten die Parteien über das streitgegenständliche Schiff einen Kaufvertrag gem. §§ 452, 433 Abs. 1 S. 1 BGB geschlossen haben. Ein Vertrag ist die erklärte Einigung mehrerer Personen über Rechtsfolgen des Zivilrechts und besteht aus mind. zwei empfangsbedürftigen Willenserklärungen: Antrag und Annahme. Vorliegend einigten sich die Parteien im Rahmen einer Internet-Auktion über die Internetplattform „eBay“, wobei zu beachten ist, dass es sich bei derartigen Auktionen nicht um eine Versteigerung nach § 156 BGB (lies!) handelt: Es mangelt dafür an einem Zuschlag auf das höchste Gebot.
Vielmehr kommt ein Vertrag nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts zustande, §§ 145 ff. BGB.[8] Der Verkäufer gibt regelmäßig eine verbindliche, durch Freischaltung auf der Angebotsseite bewirkte Willenserklärung „ad incertas personas“ ab, also an eine unbestimmte Anzahl von Personen. Voraussetzung dafür ist, dass sich sein Rechtsbindungswille unmissverständlich aus einer bei der Freischaltung gesondert abgegebenen Erklärung ergibt. Bei der Willenserklärung des Verkäufers handelt es sich regelmäßig um einen für den Zeitraum der Auktion bindenden Antrag im Sinne von § 145 BGB, der unter der Bedingung steht, dass der Vertrag mit demjenigen zustande kommen soll, der bei Ablauf der Auktion das Höchstgebot abgegeben hat.[9]
- Angebot
Die Beklagte müsste ein Angebot abgegeben haben.
- Invitatio ad offerendum
Hier könnte man zunächst an eine invitatio ad offerendum denken, also der Einladung zur Abgabe von Angeboten, bei der es am Rechtsbindungswillen der Beklagten fehlen würde. Die Beklagte verweist darauf, dass in § 3 Abs. 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschen eBay-Dienste geregelt ist, dass Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte nur unverbindlich angeboten werden. Dies spräche gerade für die Abgabe einer invitatio ad offerendum. Dieselbe Klausel regelt ferner den Ausschluss von Artikeln, die gegen Gesetze. Rechte Dritte oder die gute Sitte verstoßen. Fraglich ist im Fall der MS Düsseldorf jedoch bereits, ob überhaupt der Anwendungsbereich der Klausel eröffnet ist. Solche AGB können grundsätzlich als Grundlage für die Auslegung von Willenserklärungen herangezogen werden, wenn Erklärungen der Auktionsteilnehmer nicht aus sich heraus verständlich sind. Telos (§§ 133, 157 BGB) des § 3 Abs. 2 eBay-AGB, welcher durch beide Parteien im Verhältnis zu eBay akzeptiert wurde, ist, dass Kaufverträge über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte der Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB unterliegen und damit, solange nicht eine Heilung gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB eintritt, stets gem. § 125 S. 1 BGB mangels notarieller Beurkundung formnichtig wären.[10] Folgerichtig sollen nur jene Artikel von einem Verkauf über die Plattform eBay ausgeschlossen werden, deren Angebot, Verkauf oder Erwerb unzulässig oder – wie im Fall von Grundstücken o.ä. – nicht formwirksam möglich sind. Anders gelagert ist der Schiffskauf: Das Verpflichtungsgeschäft über eingetragene Binnenschiffe unterliegt keinen Formanforderungen; einzig die dinglichen Geschäfte, Einigung und Eintragung, sind gem. § 3 SchiffRG formbedürftig. Es handelt sich folglich nicht um eine invitatio ad offerendum.
- Auktionsannonce
Hingegen könnte das Einstellen des streitgegenständlichen Schiffes durch den Verkäufer „sportymami“ bei eBay ein Angebot darstellen.
Gem. § 7 Abs. 2 eBay-AGB, gibt ein Verkäufer, der mittels der eBay-Dienste einen Artikel im Auktions- oder Festpreisformat einstellt, ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab.
Hier liegt eine der wahrlichen Besonder- und Eigenheiten der „ebay-Fälle“ (insb. auch Kleinanzeigen, wo Verträge locker via Chat geschlossen werden): Privatleute geben nicht selten missverständliche Erklärungen mit mangelndem Rechtsbindungsbewusstsein ab und sind sich des rechtserheblichen Plateaus, auf dem sie sich bewegen, nicht bewusst. Obgleich der Willenserklärung aus der subjektiven Sicht des Erklärenden kein unbedingter Rechtsbindungswille zugrunde liegen mag, kann dies vom Vertragspartner häufig anders verstanden werden. Hier kommt der Laie in Konflikt mit dem Rechtsgrundsatz pacta sunt servanda und Raum für Konflikte entsteht. Die Rspr. begegnet diesen wie folgt: „Verständnislücken können dann unter Rückgriff auf die durch die Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründeten wechselseitigen Erwartungen der Auktionsteilnehmer und deren gemeinsames Verständnis über die Funktionsweise der Online-Auktion geschlossen werden.[11] Da sich vorliegend beide Parteien jeweils auf die eBay-AGB berufen, ist von der beidseitigen Akzeptanz dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszugehen“.[12]
Dass das Einstellen der Auktions-Annonce, mithin das verbindliche Angebot durch die Ehefrau eines der Geschäftsführer der Beklagten erfolgte, ist indes nicht schädlich. Die Willenserklärung der Ehefrau wirkt unmittelbar für und gegen die Beklagte, § 164 Abs. 1 S. 1 BGB.
Der Einwand der Beklagten, dass ihr Angebot unter dem Vorbehalt einer störungsfreien Auktion stand (§ 158 Abs. 2 BGB), läuft ins Leere: Die aufgrund mangelnder Verifikation für Gebote jenseits der 50.000,- € ausgeschlossenen Bieter, waren den, der Beklagten bekannten und von ihr akzeptierten Sicherheitsbeschränkungen bei eBay geschuldet, welche die Solvenz des Käufers sicherstellen sollen, und gerade nicht das Ergebnis technischer Störungen.[13]
Die Bindungswirkung eines Angebotes (§§ 145, 148 BGB) lässt sich grundsätzlich abbedingen, § 145 BGB. Ein solcher Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme findet sich auch in den eBay-AGB (§ 7 Abs. 5).[14] Vorliegend konnte die Beklagte – ungeachtet der Frage eines tauglichen Anfechtungsgrundes – ihr Angebot jedoch ohnehin nicht mehr einseitig widerrufen, da die Auktion bereits beendet, mithin der Vertrag geschlossen war. „Insofern liegen bereits die Voraussetzungen von § 7 Abs. 5 eBay-AGB, wonach bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Verkäufer zwischen diesem und dem Höchstbietenden ein Vertrag zustande kommt, wenn nicht der Verkäufer dazu berechtigt war, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen, bereits nicht vor“.[15]
- Annahme
Der Kläger hat das Angebot der Beklagten durch Abgabe des (Höchst-)Gebotes i.H.v. 75.050,- € unter der aufschiebenden Bedingung, dass er nach Ablauf der Angebotsdauer Höchstbietender ist, angenommen, § 158 Abs. 1 BGB.[16]
Eine Formnichtigkeit gem. § 125 S. 1 BGB scheidet für diesen Fall eines Kaufvertrages über ein Binnenschiff mangels einer Parallelvorschrift zu § 311b Abs. 1 S. 1 BGB für eingetragene Binnenschiffe aus. Nur das Verfügungsgeschäft ist nach § 3 Abs. 1 SchiffRG formgebunden.
III. Anfechtung, §§ 142 Abs. 1, 119 ff. BGB
Fraglich ist jedoch, wie der Umstand zu bewerten ist, dass die Beklagte die Auktion nachträglich abbrach und vorbringt, die Belastung des Schiffes mit einer Hypothek versehentlich nicht angegeben zu haben. Insoweit ist zunächst an die §§ 119 ff. BGB zu denken.
Die Willenserklärung der Beklagten könnte gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies setzt eine (1.) Anfechtungserklärung, einen (2.) Anfechtungsgrund, die (3.) Wahrung der Frist und (4.) keinen Ausschluss voraus.[17]
Eine Anfechtungserklärung muss erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Diesen Willen hat die Beklagte unstreitig i.S.d. § 143 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht, indem sie einerseits der Klägerin entsprechende Textnachrichten schickte und andererseits nachträglich die Auktion abbrach.
Es müsste jedoch zusätzlich ein tauglicher Anfechtungsgrund bestehen (wobei dieser in der Erklärung nicht angegeben werden muss).
- § 120 BGB
Zunächst kommt eine Anfechtung gem. § 120 BGB in Frage, wonach eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, angefochten werden kann. Die Ehefrau des Geschäftsführers müsste als Erklärungsbotin der Beklagten gehandelt haben. Voraussetzung für ein Handeln als Erklärungsbote ist, dass der Erklärende zur (mündlichen) Übermittlung einer von ihm formulierten Willenserklärung eine andere Person oder Einrichtung als Erklärungsboten eingesetzt hat. Die Ehefrau wurde zwar angewiesen, das Angebot zu erstellen. Dabei bediente sie sich jedoch nicht einer vorformulierten Erklärung, sondern hatte vielmehr Gestaltungsspielraum. Sie gab folglich eine eigene Willenserklärung im Namen der Beklagten ab. „Dafür spricht weiter, dass aus einem fehlenden Entscheidungsspielraum des Handelnden, insbesondere aus seiner Weisungsabhängigkeit, nicht notwendig folgt, dass es sich um einen Boten handelt. Durch die Begrenzung der Vollmacht kann auch der Vertreter sehr engen Vorgaben unterliegen. Dieser ist dennoch Vertreter und gibt eine eigene Willenserklärung ab.“[18]
- § 119 BGB
Hinsichtlich eines Anfechtungsgrundes gem. § 119 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB ist zu beachten, dass gem. § 166 Abs. 1 BGB, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel beeinflusst werden, nicht die Person des Vertretenen sondern die Person des Vertreters in Betracht kommt. Es ist daher auf die Ehefrau abzustellen, deren wahrer Wille von ihrer Erklärung nicht abzuweichen dargelegt wurde.[19]
- § 123 Abs. 1 BGB
Zuletzt kommt noch ein Anfechtungsgrund aus § 123 Abs. 1 BGB in Betracht. Ein solcher setzt voraus, dass die Beklagte, vertreten durch die Ehefrau, aufgrund einer arglistigen Täuschung durch den Kläger, zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmt worden ist. Eine solche Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung liegt i.d.R. dann vor, wenn die Täuschung für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich geworden ist, also der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht, mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte; eigene selbstständige Überlegungen unabhängig von der Täuschung schließen einen solchen Ursachenzusammenhang aus.[20] Bemerkenswert ist hier der chronologische Scharfsinn des Landgerichts: „Da die Beklagte […] ihre Willenserklärung durch Einstellen des Angebotes auf […] eBay als Erste abgegeben hat und der Kläger denklogischerweise erst danach auf das Angebot aufmerksam geworden sein kann, kann die Abgabe der Willenserklärung der Beklagten – das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über das streitgegenständliche Schiff unter der Bedingung, dass der Vertrag mit demjenigen zustande kommen soll, der bei Ablauf der Auktion das Höchstgebot abgegeben haben wird – nicht ursächlich auf einem Verhalten des Klägers und damit auch nicht auf einer angeblichen arglistigen Täuschung des Klägers beruhen.“[21]
Ein tauglicher Anfechtungsgrund, der die Beklagte zur Anfechtung berechtigte, lag also nicht vor.
Insoweit die Beklagte dann noch vorbringt, durch eBay einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt worden zu sein, prüfte das Gericht eine Störung der Geschäftsgrundlage. Einen Rücktritt gem. § 313 Abs. 3, 2 BGB schloss es sodann jedoch aus. Es müssten wesentliche Vorstellungen der Parteien zur Geschäftsgrundlage des Vertrags geworden sein, welche sich sodann als falsch herausstellen. Die wesentlichen Vorstellungen müssen bei Vertragsschluss bestanden haben und sich auf das abzuschließende Geschäft beziehen, insbesondere auf dessen Gegenstand, Voraussetzungen und Zweck. Geschäftsgrundlage bezeichnen dabei die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut.[22]
Selbst wenn eine störungsfreie Durchführung sowie Fairness im Rahmen des Bieterwettbewerbs nach den Vorstellungen der Parteien zur Grundlage des Kaufvertrages geworden sein sollten, so haben sich diese Vorstellungen nicht als falsch herausgestellt, da die Auktion störungsfrei und nach den – den Parteien bekannten – Regeln der eBay-AGB vonstattenging.[23]
Im Ergebnis ist die erst nach Schluss der Auktion erfolgte Rücknahme nicht mehr rechtzeitig erfolgt. Eine wirksame Anfechtung des Angebots wegen Irrtums oder falscher Übermittlung, weil die Belastung des Schiffes mit einer Schiffshypothek versehentlich nicht angegeben worden sei, wurde zu Recht verneint.
Der Anspruch des Klägers auf Erfüllung des Kaufvertrages Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises ist schließlich auch fällig. Die in den eBay-AGB grundsätzlich vorgesehene Vorleistungspflicht des Käufers gem. § 7 Abs. 9 eBay-AGB entfällt nämlich in dem Moment, in dem der Verkäufer erklärt, die eigene Leistung nicht erbringen zu wollen. Somit ist spätestens in dem nachträglichen Abbruch der Auktion ist eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen, die zu einer Aussetzung der Vorleistungspflicht führt.[24]
Dogmatische Vertiefung
Idealerweise dienten die vergangenen Seiten bereits einer erschöpfenden Wiederholung des Vertragsrechts. Da die Internet-Auktionsplattform „eBay“ den Studierenden der Rechtswissenschaften in der Vergangenheit bereits zahlreiche weitere Fallkonstellationen bescherte, die die Zivilrechtskenntnisse und das Systemverständnis des BGB ordentlich auf die Probe stellen, sollen im Folgenden ein paar weitere Fallgruppen erläutert werden. Nach der Lektüre, da seid euch sicher, könnt ihr im Freundes- und Bekanntenkreis jeden eBay-Rechtsfall lösen, der nur denkbar ist – inklusive dem Schiffskauf. Im Grunde geht es immer nur darum, die vorhandenen Informationen zu verwerten und kundgetane Willenserklärungen auszulegen (§§ 133, 157 BGB analog[25]); das Rechtsproblem wird sich dadurch offenbaren und lösen lassen.[26]
- Zustandekommen eines Vertrages
Zunächst stellt sich stets die Frage – wie auch in unserem Fall – ob ein Kauvertrag überhaupt zustande gekommen ist. Hier ist zu beachten, dass es sich bei Verträgen, die auf Ebay geschlossen werden, gerade nicht um Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB handelt: Es mangelt am Zuschlag, der seinerseits eine eigene Willenserklärung darstellt. Stattdessen hat die Mitteilung an den Käufer, dass er der Höchstbietende war und damit die Sache ersteigert hat, lediglich die Qualität einer Wissensmitteilung. Dies sollte in der Klausur wenigstens festgestellt werden. Ein Kaufvertrag kommt vielmehr bekanntermaßen durch zwei korrespondierende empfangsbedürftige Willenserklärungen zustande: Antrag und Annahme. Das Einstellen der Sache ist nach herrschender Ansicht ein Angebot unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme (i.V.m. den jeweiligen Auktionator-AGB und gesetzlichen Gründen, vgl. etwa Anfechtung) ad incertas personas zum Abschluss des Vertrages mit dem Höchstbietenden.[27] Zum tatsächlichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses mangelt es gerade nicht an den essentialia negotii, da die Vertragsparteien sowie der Kaufpreis (zu diesem Zeitpunkt!) wenigstens bestimmbar sind.
Freilich ist der in Rede stehende Antrag – auch „Angebot“ – ein solcher, dessen Laufzeit gem. § 148 BGB befristet ist. Die Befristung gilt bei eBay-Auktionen für den Zeitraum bis zur Annahme durch den Meistbietenden. Die vertragliche Bindung beruht schließlich auf den Willenserklärungen der Vertragsparteien, nicht dem Ablauf der Frist; die Plattform „eBay“ nimmt selbst nur die Stellung eines Empfangsvertreters der Willenserklärungen zum Vertragsschluss im Zeitpunkt des Ablaufes der Auktion ein, § 164 Abs. 3 BGB.
- Nutzung eines fremden Kontos
Beliebt in Kombination mit dem Minderjährigenrecht (§§ 104 ff. BGB) ist die Kontomissbrauchs-Klausur. Der Vater – mitten in der Erstellung eines eBay-Inserats für seinen gebrauchten Benzingenerator – wird von der Gattin zum Rasenmähen geschickt. Den unüberwachten PC bedient sodann der 17-jährige Sohn, der im Übrigen bald 18 wird (§ 2 BGB). Er möchte sich einen neuen Laptop kaufen, hat aber aktuell kein Geld und wegen zahlreicher Paypal F&F-Betrugsversuche nur schlechte Bewertungen auf seinem eigenen Konto. An schnellen Autos und an schnellem Geld interessiert, inseriert der Sohn den SLS-Roadstar des Vaters zu einem Schnäppchenpreis von 2.000,-€. Gisela Geizig ersteigert überglücklich den Oldtimerflitzer und verlangt später die Übergabe und Übereignung.
Wie ist der Fall wohl zu behandeln? Es liegt nahe, über eine Anwendung des Stellvertretungsrechts nachzudenken. Handelt es sich denn um Handeln in oder unter fremden Namen? Wir erinnern uns: Kein Handeln im fremden Namen liegt beim Handeln „unter fremdem Namen“ vor (Identitätstäuschung) sowie beim Handeln „unter falschem Namen“ (Namenstäuschung). Beim Handeln „unter fremdem Namen“ ersetzt der Handelnde seinen Namen durch einen fremden, um sich wahrheitswidrig für diese Person auszugeben und nicht die Pflichten des Rechtsgeschäfts tragen zu müssen. Daraus folgt die analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB.
Wir folgen dem Gesetz und gehen von den Willenserklärungen aus: Erklärungen, die ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Kontoinhabers (Vater) abgegeben wurden, sind diesem Inhaber nur unter den Voraussetzungen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Keine Zurechnung erfolgt, wenn der Vater die Zugangsdaten hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden (Sohn) geschützt hat. Beachtet an dieser Stelle bitte, dass die eBay-AGB meist eine Rolle spielen werden. Eine Klausel, nach der Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die durch ihr Konto vorgenommen werden, begründet jedoch in unserem Falle keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber dem Auktionsteilnehmer (G). Es besteht keinerlei Vertretungsmacht des Sohnes. Er hat unter dem Namen des Vaters gehandelt, womit es sich um ein Eigengeschäft des Sohnes handelte. Nun bleibt einzig die Frage danach, ob eine Namenstäuschung vorlag: Der Sohn könnte in diesem Falle selbst berechtigt und verpflichtet sein, namentlich, wenn er das Geschäft aus der Sicht des Vertragspartners als Eigengeschäft führte und bei diesem keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat. Das ist der Fall, wenn dem Vertragspartner der Name des Handelnden egal ist. Hier kommt es dem Vertragspartner aber gerade darauf an, da ein eBay-Konto durch Bewertungen an die Person geknüpft ist (lest noch einmal den Sachverhalt, i.d.R. ist keine Information überflüssig!).
Es liegt ein Vertretergeschäft vor, wenn eine Täuschung über die Identität vorlag. Wenn der Vertragspartner gerade an der Person hinter dem Konto interessiert ist, dann unterliegt er einer Identitätstäuschung. Der Sohn hatte diese (gewollt) verursacht, also muss er sich auch so behandeln lassen, als wenn er das Geschäft für den Namensträger (Vatern) abgeschlossen hat. Auf Rechtsfolgenseite stellen wir fest: Das Geschäft wirkt § 164 Abs. 1 S. 1 analog BGB für den Vater, wenn der Sohn Vertretungsmacht hatte (hier nicht) oder der Vater das Geschäft genehmigt, § 177 analog BGB(ebenso wenig). Daher haftet der Sohn als falsus procurator nach § 179 Abs. 1 analog BGB auf Schadensersatz, wenn er den Mangel seiner Vertretungsmacht kannte, also bösgläubig war.
Nota bene: Eine Duldungsvollmacht des Vaters wäre denkbar, wenn er es willentlich geschehen lässt, dass sein Sohn als Vertreter auftritt und der Vertragspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen berechtigt ist (denkbar: „Sohn, bitte inseriere mein Fahrzeug für einen angemessenen Preis, ich kenne mich mit dieser Technik nicht aus“). Eine Anscheinsvollmacht kommt hingegen in Betracht, wenn der Vater bei pflichtgemäßer Sorgfalt das Handeln des Sohnes hätte erkennen und verhindern können, aber nur, wenn es wiederholt auftrat (z.B.: Der Sohn hat bereits vier Fahrzeuge des Fuhrparks des Vaters auf diese Weise verscherbelt).
- Abbruchjäger
Seltener, aber nicht unvorstellbar, ist die Fallgruppe der Abbruchjäger. Hier handelt es sich nicht um eine Sondertruppe der Stormtrooper aus Star Wars. Vielmehr sind jene gemeint, die auf Artikel bieten, die offenkundig unter ihrem Wert eingestellt wurden (meist versehentlich) und auf einen Abbruch der Auktion spekulieren. Für einen solchen Fall sehen die eBay-AGB vor, dass der zum Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietende der Käufer des Artikels ist, es sei denn, der Anbieter war zur Rücknahme des Angebots „gesetzlich“ berechtigt (z.B. Anfechtung). Abbruchjäger spekulieren auf Schadensersatz nach Nichterfüllung der Leistung (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Die Rechtsprechung begegnet dieser Fallgruppe und jener des auffallenden Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung mit einer interessanten rechtshistorischen Entwicklung hin zu einer heute sehr „pacta sunt servanda“-freundlichen Meinung (die Fußnote an dieser Stelle wirklich mal lesen!).[28]
Wenn der Verkäufer den Einwand des Rechtsmissbrauches nach § 242 BGB geltend gemacht, muss dieses schärfste Schwert des Vertragsrechts (bei der Durchsetzbarkeit des Anspruchs zu prüfen) stets genau geprüft werden und wird eher restriktiv ausgelegt. Bloße Schnäppchenjäger verhalten sich laut BGH nicht rechtsmissbräuchlich (vielmehr ist das Kern jeder Auktion). Wenn allerdings die Absicht von vorne herein darauf abzielt, dass der Vertrag scheitert und der Käufer den Gegenstand gar nicht erwerben will, handelt es sich um einen u.U. unredlichen und nicht schutzwürdigen „Abbruchjäger“. Die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls muss ergeben, ob das Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Indizien sind eine Art Gewerbsmäßigkeit (einziger Zweck die Profitgier) sowie zahlreiche Gebote auf zusammenhanglose Artikel.
- eBay-AGB und AGB des Privatverkäufers
- eBay-AGB
Vielfach griffen wir auf den vergangenen Seiten auf die beidseitig akzeptierten eBay-AGB zwecks Auslegung des Erklärungsinhaltes der Willenserklärungen der Parteien zurück. Sie sind als Verkehrssitte i.S.d. § 157 BGB anzusehen.
- „Disclaimer“ des Privatverkäufers, die zur AGB werden
Nützlich für euer privates Schnäppchenglück und erheiternd zum guten Schluss dieser umfangreichen eBay-Jura-Anleitung ist der Fall des allausschließenden Privatverkäufers, der absoluten, juristischen Nonsens in seine Annonce integriert und sich damit selbst ins Bein schießt (etwa „Privatverkauf. Keine Gewährleistung. Keine Rücknahme.“, „Aufgrund des neuen EU-Rechts muss ich jede Gewährleistung ausschließen“, oder „gem. der neuen EU-Richtlinie bei Privatverkauf jegliche Gewährleistung und Haftung ausgeschlossen, außer die deliktische“). Der Gewährleistungsausschluss könnte zur AGB werden. Da ein allumfassender Gewährleistungsausschluss in den AGB jedoch nicht möglich ist (§ 309 Nr. 7 lit. a und b BGB = unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners), sind die AGB regelmäßig unwirksam. Somit gibt es keinen wirksamen Ausschluss der Gewährleistung und dem Käufer stehen die üblichen Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer zu.[29]
Gem. § 305 Abs. 1 BGB sind AGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Wir stellen also fest: Eine Klausel kann schon beim erstmaligen Verwenden eine AGB sein – unabhängig davon, ob sie von einem Privatverkäufer oder gewerblich Tätigen gestellt wird – wenn sie mit einer Mehrfachverwendungsabsicht gestellt werden. „In diesem Sinne sind Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist“.[30]
An dieser Stelle setzen wir den Punkt. Ihr seid jetzt nicht nur für die Klausur, sondern gar für die Lebenswirklichkeit gerüstet, zumindest wenn ihr euer Verkäufer- oder Käuferglück weiterhin auf eBay sucht. [31]
[1] Sachverhaltsangaben aus: Landgericht Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022, 8 O 321/20, NRWE.
[2] FYI: An dieser Stelle ein Ausflug in das Immobiliarsachenrecht: Die Hypothek verbleibt trotz des Verpflichtungsgeschäfts als dingliches Sicherungsmittel auf dem Schiff (akzessorisch zur Forderung), unabhängig davon, wer der derzeitige Eigentümer ist. Das hat zur Folge, dass der Käufer einer hypothekenbelasteten Immobilie (hier: inkl. eines Schiffes), im Falle eines Zahlungsverzugs des Verkäufers (Hypothekenschuldner) gegenüber dem Hypothekengläubiger sich der Zwangsversteigerung in die neu erworbene Immobilie ausgesetzt sieht. Er kann sodann im Verhältnis zum Verkäufer Schadensersatzansprüche geltend machen (gem. §§ 280 Abs. 1).
[3] FYI: Für die Fortgeschrittenen ein Ausflug ins Prozessrecht: In der ZPO unterscheiden wir grds. zwischen einerseits dem Erkenntnisverfahren (1.-7. Buch; Einreichen der Klageschrift bis Urteil) und andererseits dem Zwangsvollstreckungsverfahren (8. Buch). Letzteres setzt bei der Weigerung des Verklagten an: Mit einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 724 ZPO) geht es zum Gerichtsvollzieher. Sodann vollstreckt dieser – ggf. gg Sicherheitsleistung gem. §§ 705 f. ZPO – im Falle der Schiffsherausgabe gem. § 885 ZPO, dagegen kann u.U. der Rechtsbehelf der (Vollstreckungs-)Erinnerung, § 766 Abs. 1 ZPO.
Fun Fact & beliebt in der Mündlichen: Systematisch sind die §§ 916 ff. ZPO – der Arrest (vergleichbar mit der Sicherheitsanordnung) und die einstweilige Verfügung (ähnlich der Regelungsanordnung) im falschen Buch einsortiert. Dieser Fehler unterlief dem historischen Gesetzgeber bei Erlass der Reichsjustizgesetze von 1877/79 (GVG, ZPO, StPO, KO (seit 1999: InsO) – zur Erinnerung: StGB = 1872; BGB = 1900).
[4] FYI: Nach Abs. 2 soll die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich keine Erfolgsaussicht besteht, keine Grundsatzbedeutung im weiteren Sinne besteht und eine Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung auch nicht aus anderen Gründen geboten ist. Die Bestimmung räumt dem Berufungsgericht ein Auswahlermessen zwischen Urteils- und Beschlussverfahren ein. Die negativen Zurückweisungsvoraussetzungen des Abs. 2 S. 1 Nr. 1–4 müssen dabei kumulativ erfüllt sein.
[5] FYI: I.d.R. sollten Käufer und Verkäufer sich in der Praxis im Vorhinein über die
(a) vorzeitige Löschung der Hypothek mittels Auszahlung des Hypothekengläubigers durch den Verkäufer,
(b) Übernahme der Hypothek durch den Käufer unter Kaufpreisminderung oder
(c) Löschung der Hypothek mittels Beteiligung des Hypothekengläubigers am Kaufvertrag einigen.
[6] FYI: Beim Schiffsregisterrecht handelt es sich um grundbuchähnliches Sonderrecht. Schiffe werden demzufolge in der BRD sachenrechtlich wie unbewegliche Sachen behandelt. Die dt. Schiffsregister dienen sodann der dinglichen Zuordnung von Schiffen. Eingetragen werden vor allem Seeschiffe und Binnenschiffe, die in der BRD verpflichtet oder berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen (vgl. FlaggRG).
[7] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 24 f., NRWE.
[8] Vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, Rn. 26 ff. juris.
[9] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 28; NRWE.
[10] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 32; NRWE.
[11] Dazu: BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, Rn. 36.
[12] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 30 NRWE.
[13] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 36 NRWE.
[14] Vgl. Zu entsprechenden Fallgestaltungen BGH, Urt. v. 08.01.2014 – VIII ZR 63/13, Rn. 18 ff. juris; Urt. v. 08.06.2011 – VIII ZR 305/10, Rn. 15 ff. juris. Hierauf hinweisend LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 –, 8 O 321/20, Rn. 43, NRWE.
[15] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 43, NRWE.
[16] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 34 NRWE.
[17] FYI: Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtende das Rechtsgeschäft im Nachhinein bestätigt, § 144 Abs. 1 BGB, oder wenn der Anfechtungsgegner sich bereit erklärt, die Willenserklärung mit dem gewollten Inhalt gelten zu lassen, § 242 BGB (Anfechtung wäre Fall der venire contra factum proprium-Einrede).
[18] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 48 NRWE unter Bezugnahme auf MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, § 164 Rn. 81.
[19] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 50 NRWE mit Bezug auf Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 166 Rn. 3.
[20] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022, 8 O 321/20, Rn. 57 NRWE. Im Fall hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte bereits nichts dergleichen dargetan.
[21] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022, 8 O 321/20, Rn. 57 NRWE.
[22] BGH, Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 68/10, NJW 2013, 1950, Rn. 18.
[23] LG Düsseldorf, Urt. v. 11.04.2022 – 8 O 321/20, Rn. 69, NRWE.
[24] BGH, Urt. V. 20.12.1996 – V ZR 277/95, NJW 1997, 938, Rn. 14.
[25] FYI: Für Dogmatik-Geeks – das weiß kaum einer: § 133 BGB bezieht sich seinem Wortlaut nach auf Willenserklärungen. § 157 BGB legt seinem Wortlaut nach fest, wie Verträge auszulegen sind. Verträge wiederum bestehen aus (vorgelagerten) Willenserklärungen. Deshalb können wir hins. Des Vorliegens einer Willenserklärung die §§ 133, 157 BGB nicht direkt heranziehen. „Das zentrale Abgrenzungskriterium zwischen Willens- und Gefälligkeitserklärung ist […] der Rechtsbindungswille, dessen Kundgabe Voraussetzung des objektiven Tatbestands einer Willenserklärung ist. Ob ein solcher Wille vorliegt und die Parteien damit einen Vertrag geschlossen haben, ist durch eine Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte zu beurteilen“ (Daßbach, JA 2018, 575). „Die Notwendigkeit der Analogie ergibt sich, da die §§ 133, 157 BGB an einen bestehenden Vertrag anknüpfen, es hier jedoch um die vorgelagerte Frage geht, ob die Parteien überhaupt mit Rechtsbindungswillen handeln“ (Paal/Kumkar, JuS 2015, 707, 709).
Übrigens: Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen wäre das Zitat des § 157 BGB grob falsch (z.B. Testament), für die Anfechtungserklärung im Rahmen der §§ 119 ff. BGB (einseitiges Rechtsgeschäft) ist eine analoge Anwendung des § 157 BGB dogmatisch präzise. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass § 157 BGB auch auf empfangsbedürftige Willenserklärungen angewendet werden kann, weshalb man in der Lehre gewöhnlich für diese rein dogmatische „Friemelei“ kein Fass aufmacht.
[26] Eine schöne Auflistung von eBay-Klassikern bereitgestellt von „JurCase“, die dem Verfasser auch als Inspiration diente, findet ihr unter https://jurcase.com/klausurprobleme-rund-um-ebay/.
[27] BGH, Urt. v. 08.01.2014 – VIII ZR 63/13, MMR 2014, 165 Rn. 14, 19 f.; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 433 Rn. 27
[28] Dazu lesenswert: BGH, Urt. v. 22.05.2019, VIII ZR 182/17, NJW 2019, 2475: Der SE-Anspruch des beklagten Abbruchjägers, welcher aus dem gem. der eBay-AGB zustande gekommenen Kaufvertrag folgte, stand kein Rechtsmissbrauch (§ 242) entgegen. Ebenso lesenswert, da hier ein (wirksamer!) Kaufvertrag über einen VW Passat zu einem Kaufpreis von 1€ geschlossen wurde: BGH, Urt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 195/13, NJW 2015, 548.
Porsche Carrera für 5,50€? Nein, da „krasse Ausnahmesituation“ (§ 242) den Grundsatz pacta sunt servanda bricht, behauptete einst das OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 03.06.2009, 5 U 429/09 (heute Rechtsgeschichte!).
[29] Bemerkenswert in BGH, Urt. v. 04.02.2015, VIII ZR 26/14, NZV 2015, 294 war, dass der Zusatz „soweit das gesetzlich zulässig ist“ die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel, die jegliche Gewährleistung ausschließt, nicht beseitigt. Denn solche salvatorischen Klauseln sind ihrerseits unwirksam (Verstoß gegen das Verständlichkeitsgebot).
[30] BGH, Urt. v. 11.7.2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997, Rn. 32.
[31]
Verfasser: Christian Lederer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei HLB Schumacher Hallermann.
Supervision: Dr. Lennart Brüggemann, Rechtsanwalt bei HLB Schumacher Hallermann.