Entscheidung des Monats September 2025
Zivilrecht - Mobiliarsachenrecht, Fundrecht "Wer's findet, darf's behalten!"
Die Hintergründe der Entscheidung
Felix Felicis (F)[1] bewohnt ein Reihenhaus im Autobahn-nahen Speckgürtel der Stadt Osnabrück (O). In der Silvesternacht hat F sich im Rahmen guter Vorsätze für das neue Jahr vorgenommen, seine Garageneinfahrt mittels Schneeschaufel von den Neuschneemassen des kalten Winters zu befreien. Als er sich am 1. Januar 2022 ans Werk machen will, stört ihn bei der Verrichtung seines Werks ein geparkter, schneeweißer Audi Q8. Dieser steht zwar im Grunde ordentlich in der für Pkw vorgesehenen Parkbucht vor seinem Haus. Jedoch ist der XXL-Geländewagen derartig breit, dass F zum Teil nur eingeschränkt mit der Schneeschippen agieren kann. Da der Wagen gute zwei Wochen später immer noch unbewegt an Ort und Stelle steht, ärgert sich der F sehr. Beiläufig hatte F jedoch vom „Fundrecht“ gelesen und davon, dass man als Finder unter bestimmten Voraussetzungen „originär“, also kraft Gesetzes, Eigentum an gefundenen Sachen erwerben kann, wenigstens dann, wenn man den Fund den zuständigen Behörden anzeigt und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
Am 13.1.2022 wies F die Polizei über das Online-Portal der Wache auf den Dauerparker-Audi hin, versandte Lichtbilder von der Straßensituation und machte vorsorglich Eigentumsansprüche geltend. Nachdem er auf telefonische Nachfrage bei der Polizei die Auskunft erhielt, er müsse sich an die Stadt O als für den ruhenden Verkehr zuständiger Behörde halten, nahm F mit E-Mail vom 9.2.2022 Kontakt zur O auf und meldete auch ihr gegenüber Eigentumsansprüche an dem Fahrzeug an. Am selben Tag teilte O dem F mit, dass in der Sache gegen den Eigentümer ermittelt und der Vorgang „nicht als Fundsache“ behandelt werde. Mit weiteren E-Mails vom 6.3.–10.3.2022 und 7.4.2022 bekräftigte F gleichwohl seine Eigentumsansprüche unter Hinweis auf das Fundrecht gegenüber O.
Erst am 7.4.2022 ließ O durch die Ordnungsbehörde das immer noch in der Parkbucht vor dem Haus des F belegene Fahrzeug an einen „Betriebshof“ verbringen. Die Polizei hatte zuvor die Kennzeichen entstempelt. O nahm daraufhin Ermittlungen zu dem Fahrzeug auf. Demnach war das Fahrzeug auf die A GmbH angemeldet. Als deren Alleingesellschafter war R ausgewiesen. Sitz der GmbH und gleichzeitig Wohnanschrift des R waren auswärts der Stadt O. Sämtliche Zustellversuche von O an R blieben im Ergebnis erfolglos.
Hat F einen Anspruch gegen O auf Herausgabe des immer noch auf dem Betriebshof befindlichen Audi Q8?
Die Entscheidung
A. F gegen O aus § 985 BGB
F könnte gegen die Stadt O einen Anspruch auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs gem. § 985 BGB haben. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer Vindikationslage zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens: F müsste Eigentümer des Fahrzeugs sein und die O Besitzerin ohne taugliches Recht zum Besitz.
I. Das Fahrzeug befindet sich auf einem Betriebshof der Stadt O. O ist somit unmittelbare Fremdbesitzerin des Fahrzeugs, §§ 854 Abs. 1 BGB.
II. F müsste Eigentümer des Q8 sein.
1. Ursprünglich war die A-GmbH Eigentümerin des Audi Q8, § 13 Abs. 1 GmbHG.
| #HINWEIS: EIGENTUM AM KFZ, DAS ABC & § 952 ABS. 1 ANALOG
Kraftfahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung Teil I, ZB I) sowie Kraftfahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II, ZB II) führen bei Studierenden in beinahe jedem Stadium des Studiums zu Verwirrung. Hier noch einmal eine Übersicht, was was ist und warum beide Urkunden grds. nichts mit dem Eigentum am Fahrzeug zu tun haben. ZB I: Sie enthält Informationen über die Fahrzeugspezifikationen (inkl. bauliche Veränderungen „Tuning“) ZB II: Sie bestimmt, auf wen das Fahrzeug öffentlich-rechtlich zugelassen ist (der Antragsteller). Die Zulassung kann ein Indiz für die Haltereigenschaft sein, divergiert in der Praxis aber auch häufig: Fahrzeughalter ist, wer im Besitz der tatsächlichen Verfügungsgewalt über ein Kfz ist und es auf eigene Rechnung gebraucht. Die tatsächliche Verfügungsgewalt hat, wer „über die Verwendung des Fahrzeugs nach Ort und Zeit bestimmen kann“; nach der Verkehrsanschauung verkörpert die ZB II diese Verfügungsgewalt (wenigstens auf ersten Anschein). Auf eigene Rechnung nutzt derjenige ein Fahrzeug, der aus eigenem Interesse für die Betriebskosten aufkommt. Eigentum ist hierzu nicht erforderlich. Das Eigentum an der ZB II geht Hand in Hand mit dem Eigentum am Fahrzeug, § 952 Abs. 1 S. 1 analog. |
Exkurs: „Des Deutschen liebstes Kind“, das Auto, ist nicht nur in aktuellen politischen Debatten im Bundestag ein wahrer Dauer(ver)brenner. Auch in juristischen Klausursachverhalten im ersten und zweiten Staatsexamen dreht sich häufig alles um das Kfz. Egal, ob es dabei um Fragen des gutgläubigen Erwerbs[2], um Verkehrsunfälle und Gefährdungshaftung[3] oder um das Schadensrecht[4] geht. Hier lohnt sich eine Wiederholung.

| #AUFBAUSCHEMA FUND, § 973 ABD. 1 BGB
I. Verlorene Sache II. Fund III. Kein Fund in öffentlicher Behörde oder Verkehrsanstalt (978 BGB) IV. Fristablauf
Beweislast: „Grundsätzlich hat derjenige, der Rechte aus § 973 Abs. 1 BGB geltend macht und unter Berufung auf seinen gesetzlichen Eigentumserwerb die Sache herausverlangt, die Voraussetzungen seines Eigentumserwerbs darzulegen und zu beweisen. Er hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Pkw um eine verlorene Sache handelt, die nicht mehr im Besitz eines Dritten steht“ (OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, vor Rn. 27). |
2. Der F könnte jedoch gem. § 973 Abs. 1 S. 1 BGB das Eigentum an dem Audi Q8 kraft Gesetzes erworben haben. Gem. § 973 Abs. 1 S. 1 BGB erwirbt der Finder das Eigentum an der gefundenen Sache, es sei denn, dass vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat.
a. Bei dem vor dem Haus des F in der Parkbucht ordnungsgemäß abgestellten und verschlossenen Audi Q8 muss es sich um eine verlorene Sache handeln.

Die Beendigung des Besitzes erfolgt nach § 856 Abs. 1 BGB durch Aufgabe oder Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft; auf die Gründe des Besitzverlusts, insbesondere eines unfreiwilligen, kommt es dabei nicht an.[5]
Hier könnte die A-GmbH ihren mittelbaren Besitz und der Geschäftsführer R seinen unmittelbaren Besitz am Audi jeweils aufgegeben haben, indem das Fahrzeug von R in der Nähe einer Autobahn abgestellt wurde und dort belegen über einen relativ langen Zeitraum belassen wurde.[6]
Dafür spricht, dass das Fahrzeug nicht als vermisst, gestohlen oder unterschlagen gemeldet wurde. Ebenso kann der lange Zeitraum der Nichtnutzung des Pkws ein Indiz für eine Besitzaufgabe sein. Gleichermaßen indiziell wirkt der Belegenheitsort der Sache in Autobahnnähe.[7]
Gegen eine erfolgte Besitzaufgabe spricht der Umstand, dass der Pkw ordnungsgemäß auf dem öffentlichen Parkplatz abgestellt und verschlossen wurde. Die Verkehrsanbindung und damit gute Erreichbarkeit des Belegenheitsort des Fahrzeugs kann ebenso dafür sprechen, dass der letzte Besitzer seinen Besitz an dem Pkw noch ausüben wollte.
Die Frage, ob der Pkw „verloren“ in diesem Sinne war könnte jedoch bereits dahinstehen, wenn der F das Fahrzeug bereits nicht an sich genommen hat.
b. Denn nach § 965 Abs. 1 BGB ist jedenfalls nur derjenige Finder, der eine verlorene Sache (findet und) an sich nimmt. F müsste den Audi Q8 an sich genommen haben.

aa. Hier hat jedoch – nach dem tatsächlichem Geschehensablauf zu urteilen – nicht F den Audi Q8 an sich genommen, sondern die Ordnungsbehörde der O, welche den Pkw auf ihren Betriebshof verbringen lies. F hat lediglich die Polizei über das unbewegte Fahrzeug informiert. Zu einer solchen Konstellation hat der BGH bereits Stellung bezogen[8]:
„Hierbei ist klarzustellen, dass das Finden nach dem Gesetzeswortlaut zwar einen Doppeltatbestand erfordert, nämlich das „Finden“ im Sinne des sinnlichen Wahrnehmens der verlorenen Sache und das „Ansichnehmen“, dass jedoch das erste Tatbestandsstück (Finden) nicht maßgebend ist, weil das Wahrnehmen der Sache allein in keinem Falle zur Begründung der Finderstellung ausreicht. Nimmt jemand iSd § 965 BGB eine Sache an sich, die ein anderer wahrgenommen und ihm gezeigt hat, so ist er Finder iSd. Gesetzes, obwohl der andere die Sache zuerst wahrgenommen hat und im Sprachgebrauch des täglichen Lebens als Finder bezeichnet werden mag. Das sonach entscheidende Tatbestandsmerkmal des Fundes, das Ansichnehmen, bedeutet aber nur Erlangung der tatsächlichen Gewalt, also des unmittelbaren Besitzes. Es ist auch sonst allgemein anerkannt, dass der Besitzdiener im Rahmen des sozialen Abhängigkeitsverhältnisses zu seinem Besitzherrn, dh soweit er dessen auf die Sache bezüglichen Weisungen zu folgen hat, für diesen den unmittelbaren Besitz erwirbt. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob etwa der Besitzdiener (bspw. eine Hausgehilfin) im Rahmen eines Rechtsgeschäfts (Einkauf von Lebensmitteln) für den Besitzherrn Besitz erlangt oder wie hier auf Grund eines Fundes. Das entscheidende Tatbestandsstück, die Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Besitzdiener für den Besitzherrn ist in den Fällen des § 854 dasselbe wie in denjenigen des § 965. Dieses Ergebnis folgt zwangsläufig aus dem Wesen der Besitzdienerschaft“.[9]
Der Pkw kann der Natur seiner Sache nach durchaus an sich genommen werden. So kann auch ein Pkw in den unmittelbaren – insbesondere durch Ingangsetzung und Fahrt – oder mittelbaren – zB mithilfe eines Abschleppdienstes, der das Fahrzeug auf den Grundbesitz des Finders verbringt – Besitz gelangen.[10] Derlei Maßnahmen hat der F hier jedoch nicht veranlasst. Vielmehr hat O die Verbringung und Verwahrung des Pkw verantwortet.
bb. Umittelbarer Besitz iSd. § 854 Abs. 1 BGB des F am Audi Q8, durch die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug, scheitert vorliegend bereits daran, dass F keinen Schlüssel besaß und diesen somit nicht zwecks Fortbewegung in Eigenbesitz nehmen konnte.[11]
cc. F könnte jedoch mittelbarer Besitzer des Audi Q8 gewesen sein.
Notwendig wäre ein entsprechendes Besitzmittlungsverhältnis iSd. § 868 BGB zwischen F als mittelbarem Besitzer und O als Besitzmittlerin.
| #HINWEIS: BESITZMITTLUNGSVERHÄLTNIS § 868 BGB
Voraussetzungen für ein solches Besitzmittlungsverhältnis sind:
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„Zwar ist die Begründung mittelbaren Besitzes durch einen Besitzmittler des Finders möglich und kann zur Begründung der „Finderstellung“ ausreichen. Mittelbarer Besitz kommt aber nicht in Betracht, wenn der unmittelbare Besitzer die Sache als ihm gehörig, also als Eigenbesitzer besitzt. Um dem mittelbaren Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft zu vermitteln, muss der unmittelbare Besitzer dessen Herausgabeanspruch anerkennen. Er muss (als Fremdbesitzer) den Willen haben, die tatsächliche Sachherrschaft in Anerkennung des Herausgabeanspruchs gleichsam für den mittelbaren Besitzer auszuüben“.[12]
Ein Besitzmittlungswille der O als zuständige Fundbehörde in diesem Sinn ist von F weder schlüssig dargelegt noch sind anderweitige Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Nach Anzeige des Fundes durch F hat O diesem weder schriftlich noch mündlich bestätigt, den Pkw als Fundsache aufgenommen zu haben oder aufzunehmen zu wollen. Auch hat sie nicht erklärt, auf die Fundsache für den F achten zu wollen und insbesondere auf diese Weise seine potenziellen Rechte als Finder des Fahrzeugs zu wahren. Stattdessen hat O dem F mit E-Mail vom 9.2.2022 mitgeteilt, dass in der Sache gegen den Eigentümer ermittelt und der Vorgang „nicht als Fundsache“ betrachtet werden könne. Sofern der F meint, ein Besitzmittlungswille der O folge daraus, dass diese selbst nicht behaupte, dass das Fahrzeug ihr „gehöre“, verkennt er, dass die O vielmehr – wie oben dargelegt – den Herausgabeanspruch des F (positiv) anerkennen müsste, um F die tatsächliche Sachherrschaft zu vermitteln. O begehrt hier aber stattdessen die Feststellung, dass sie dem F nicht zur Herausgabe des Pkw verpflichtet ist. Ein Besitzmittlungswille der O ist und war somit nicht gegeben, so dass F auch keinen mittelbaren Besitz begründet haben kann.[13]
F hat demnach kein Eigentum nach § 973 Abs. 1 BGB erlangt.
3. Er könnte jedoch gem. § 958 BGB Eigentum an dem Fahrzeug erlangt haben, indem er den „verlassenen“ Audi an O gemeldet hat.
Gem. § 958 BGB erwirbt das Eigentum, wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt. Zwar handelt es sich bei dem Pkw um eine bewegliche Sache. Der Pkw war jedoch mangels erfolgter Eigentumsaufgabe durch die A-GmbH nicht herrenlos im Sinne obiger Definition. Im Gegenteil „sprechen sowohl der Umstand, dass der Pkw ordnungsgemäß und verschlossen abgestellt wurde, als auch die Werthaltigkeit des Fahrzeugs dafür, dass der bisherige Eigentümer sein Eigentum auch künftig behalten und nicht wahllos einer potenziellen Aneignung durch Dritte preisgeben wollte“.[14]
4. F hat kein Eigentum am Audi erlangt. Er ist somit nicht Eigentümer und eine Vindikationslage iSd. § 985 BGB liegt damit nicht vor.
B. Mangels Eigentümerstellung des F steht diesem auch kein – im Grunde anerkannter – öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch zu.[15]
C. F gegen S aus § 861 Abs. 1 BGB
Possessorische Besitzschutzansprüche, wie jener aus § 861 Abs. 1 BGB, scheitern bereits daran, dass F niemals Besitzer des Audi Q8 gewesen ist.
D. F gegen S aus § 1007 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Dasselbe gilt für die petitorischen Besitzschutzansprüche aus § 1007 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Dogmatische Vertiefung
Die Staatsverschuldung in den großen Industrienationen erreicht täglich neue Höhepunkte. In Frankreich gipfelte die Schuldenkrise zuletzt (erneut) in einer Regierungskrise. Wäre es da nicht hilfreich, wenn der Staat sich neue „Einkunftsquellen“ erschließen könnte? Was passiert z. B. mit unserem streitgegenständlichen Audi Q8, wenn die A-GmbH diesen nicht mehr in Empfang nehmen kann oder möchte (etwa weil der Audi Q8 von der A im Vorhinein rechtswidrig erlangt wurde). Dass der Staat Eigentümer von Sachen wird, ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung keineswegs auf einen einzigen Mechanismus beschränkt – vielmehr greifen verschiedene Erwerbstatbestände.
1. Allgemeine zivilrechtliche Erwerbstatbestände
Der Staat ist wie jede andere juristische Person des öffentlichen Rechts rechtsfähig (§ 89 BGB) und kann daher nach den allgemeinen Regeln des BGB Eigentum erwerben; u. U. treffen ihn jedoch erhöhte Ermittlungspflichten, um ehemalige Eigentümer ausfindig zu machen:
- Kauf, Schenkung, sonstige Übereignung (§ 929 ff. BGB)
- Originärer Erwerb (z. B. Aneignung herrenloser Sachen, 958 BGB; Verarbeitung § 950 BGB; Fundrecht § 973 BGB)
2. Spezielle Vorschriften des Fundrechts
- 978 BGB: Fundsachen in öffentlichen Gebäuden oder Verkehrsmitteln.
- Hier geht der Fund unmittelbar in den Eigentumserwerb des Trägers der öffentlichen Einrichtung über. Der Finder selbst hat nur noch Anspruch auf Finderlohn.
- Zweck ist die Verwaltungsvereinfachung sowie der Schutz der Allgemeinheit.
3. Fiskalerbschaft (§ 1936 BGB)
- Stirbt jemand ohne Erben, so fällt der Nachlass dem Staat (Bundesland)
- Der Staat wird damit originär Eigentümer des Nachlasses („Aneignung kraft Gesetzes“).
- Dogmatisch ein gesetzlicher Erwerbstatbestand, kein derivativer (vom Erblasser abgeleiteter).
4. Einziehung und Verfall im Strafrecht
- 73 StGB, §§ 111b ff. StPO: Vermögenswerte können eingezogen oder für verfallen erklärt werden. Das Eigentum geht dann auf den Staat über, wenn es nicht an Verletzte oder Dritte herauszugeben ist.
- Dogmatisch ist hierunter ein hoheitlicher Eingriff mit sachenrechtlicher Wirkung zu sehen.
5. Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG)
Prominentes und gleichermaßen umstrittenes Institut ist die Enteignung.
- Der Staat kann durch Enteignungsgesetze unter bestimmten Voraussetzungen Eigentum entziehen und selbst erwerben.
- Beispiel: Enteignung für Infrastrukturprojekte.
- Aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Eigentums ist der Staat hier an strenge Vorgaben gebunden: Es bedarf eines Gemeinwohlzwecks, einer gesetzlichen (und damit parlamentarischen) Grundlage sowie einer angemessenen Entschädigungspflicht.
6. Beschlagnahme und Verwaltungsakzessorien
- Öffentlich-rechtliche Vorschriften können Eigentum auf den Staat überleiten, etwa:
- Polizeirecht (Sicherstellung, wenn Eigentümer nicht ermittelbar ist: Hier erfolgt eine Aneignung durch den Staat nach Ablauf einer gesetzlichen Frist; idR. versteigert der Staat derlei Eigentümer zwecks Liquidierung in Justiz-Auktionen – die Möglichkeit für gesetzestreue und liquide Bürgerinnen und Bürger ein Schnäppchen zu schlagen, besteht hier allemal).
- Abfallrecht: Mitunter originärer Eigentumserwerb der Kommune an zurückgelassenem Müll.
- Kulturgutschutzrecht: Staat kann Eigentum an archäologischen Funden beanspruchen (z. B. Schatzregal).
7. Steuerrecht / Zwangsvollstreckung
- Bei der Zwangsvollstreckung kann der Staat Eigentum erwerben, wenn Gegenstände gepfändet, versteigert und vom Staat selbst übernommen werden.
- Auch im Steuerrecht kann dies geschehen: Eigentum kann hier im Rahmen von Sicherungseigentum oder Vollstreckungsmaßnahmen übertragen werden, wenn die Steuerpflichtigen ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen.
Ihr seht: Es gibt REICHlich Möglichkeiten für den Staat, Eigentum zu erwerben. Von Vorteil ist sicherlich, dass in Ansehung von langen Warte- und Ersitzungsfristen der Staat als unsterbliche Entität den längeren Atem hat.[16]
[1] Sachverhalt orientiert an: OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, vor Rn. 21.
[2] Vgl. Entscheidung des Monats Oktober 2022: https://www.hlb-schumacher-hallermann.de/wp-content/uploads/2022/10/Entscheidung-des-Monats-Oktober-2022.pdf.
[3] Vgl. Entscheidung des Monats Januar 2023: https://www.hlb-schumacher-hallermann.de/wp-content/uploads/2023/02/Entscheidung-des-Monats-Januar-2023.pdf.
[4] Vgl. Entscheidung des Monats Dezember 2024: https://www.hlb-schumacher-hallermann.de/wp-content/uploads/2025/01/Entscheidung-des-Monats-Dezember-2024.pdf.
[5] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 26.
[6] FYI: Zwischen der GmbH (mittelbare Besitzerin) und dem Geschäftsführer (unmittelbarer Besitzer) besteht ein Besitzmittlungsverhältnis, § 868 BGB. Dieses ergibt sich idR. aus dem Anstellungsvertrag oder der dienstlichen Nutzungsüberlassung („Nutzung des Firmenfahrzeug erlaubt, aber jederzeitig herauszugeben“).
[7] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 29.
[8] BGH, Urt. v. 27.11.1952, BGHZ 8, 130 Rn. 10, NJW 1953, 419.
[9] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 33.
[10] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 35.
[11] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 37.
[12] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 38.
[13] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 39.
[14] OLG Celle, Urt. v. 26.2.2025 – 14 U 53/24, NJW-RR 2025, 722, Rn. 41.
[15] FYI: Anerkannt ist jedoch, dass ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis entsteht, wenn eine Behörde in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben Gegenstände in Besitz nimmt, die im Eigentum einer Privatperson stehen. Die Behörde hat hier den Audi Q8 niemals als Fundsache behandelt, sondern vielmehr als
[16] Verfasser: Christian Lederer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei HLB Schumacher Hallermann
Supervision: Dr. Lennart Brüggemann, Rechtsanwalt & Partner bei HLB Schumacher Hallermann
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